Nachhaltig: ausbeuteoptimierte Schnittbilder
/Die Bilder, die auf einem der vielen Monitore vor René aus realen Videoaufnahmen und computergenerierten Schnittprofilen erzeugt werden, erinnern ein wenig an Darstellungen früher Science-Fiction-Spielfilme. Grüne Konturen „hüpfen“ über das Display vor dem WWP-Mitarbeiter und zeigen ihm einen Vorschlag, welche Bohlen aus dem Stamm geschnitten werden könnten, der just auf den Sägewagen der neuen Blockbandsäge rollt. René bestätigt die Empfehlung der Technik per Joystick – und die Säge legt los.
Vor sich sieht der Bediener, wie das aus einzelnen Bohlen zusammengesetzte, grün dargestellte Schnittbild am besten in den Stamm gelegt werden kann.
Bevor ein Stamm vor Renés Bedienkabine auf den Sägewagen gelangt, hat das Rundholz in der neuen Blockbandsägelinie der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) bereits einige fürs Gesamtergebnis sehr wesentliche Stationen durchlaufen. Sie liegen außerhalb der Halle, in der sich Renés Arbeitsplatz befindet, er beobachtet sie von dort per Kamera. Gerade legt Noah Ermert dort draußen mit einem Umschlagbagger der WWP einen Stamm auf den Aufgabetisch der Sägelinie. Der Stamm ist, laienhaft ausgedrückt, am unteren, dicken Ende echt krumm und schief: Dieser sogenannte „Wurzelanlauf“ des Baumes lässt das Stammholz unten kegelförmig auseinandergehen. Auch im Querschnitt ist es insgesamt eher ein „ovales Ei“, von einem geraden Stamm kann keine Rede sein.
Darum wird dieser vom Aufgabetisch aus als erstes mit dicken Ketten auf eine Fräse bugsiert: Die Maschine dreht ihn mehrfach und raspelt dabei eben den besagten Wurzelanlauf ab (siehe Video). Danach wird der nun schon deutlich gradere Stamm in einen Entrinder gefördert, wo rotierende Messer die Rinde abschälen.
Die Frässpäne und Rindenteile werden sodann sinnvoll weitergenutzt: Als umweltfreundliches Brennmaterial werden sie im Kraftwerk von „MANN Naturenergie“ wenige Meter neben der Sägelinie zur Dampferzeugung verwendet. Mit dem heißen Dampf wiederum wird mittels eines Dampfmotors im Kraftwerk in Langenbach sauberer Ököstrom erzeugt.
Zurück zum ursprünglich krummen Stamm in der neuen Sägelinie: Dieser durchläuft nach dem Entrinder als nächstes eine für die besondere Nachhaltigkeit der Anlage ausgesprochen entscheidende Station. In einer Art „Tunnel“, durch den alle gefrästen und entrindeten Stämme vom Außengelände aus in die Halle mit der neuen Blockbandsäge fahren, laufen sie unter einer 3-D-Vermessung hindurch. Per Laser erfasst diese mehrere hunderttausend Euro teure Technik die gesamte „Kubatur“ jedes einzelnen Stammes, also sein Volumen, die unterschiedlichen Durchmesser an verschiedenen Stellen, seine exakte Form. Anhand dieser und weiterer Daten wird im Computer in Echtzeit ein dreidimensionales Schnittbild erzeugt. Es markiert, wie die Säge unter Berücksichtigung eines idealen Drehwinkels den Stamm optimiert in Bohlen schneiden kann.
Dieser Stamm ist ein typisches Beispiel für das Rundholz, das die neue Säge trotz der „Unförmigkeit“ optimiert zu Schnittholz verarbeiten kann. Fotos: Schmalenbach
Dieses Verfahren führt zu einer größeren Schnittholzausbeute gemessen am eingesetzten Rundholz: „Definitiv“, bestätigt Projekt-Ingenieur Daniel Rahn, „hier haben wir einen Computer, der ein ausbeuteoptimiertes Schnittbild in den Stamm reinlegt.“ Je mehr Varianten an Produkten die WWP sägten, desto perfekter werde die Ausbeute, fügt Rahn hinzu: „Ein kleines Brett passt immer irgendwo ‚in die Ecke‘. Wenn wir nur dicke Kanthölzer machen würden, hätte man per se eine geringere Ausbeute.“
Nach dem Fräsen ist der Wurzelanlauf gerade.
In jedem Fall ist dieses neue Sägeverfahren darum sehr nachhaltig: Lediglich ein gegenüber Sägen, die mit starren Stammdurchmessern arbeiten, erheblich kleinerer Anteil des Rundholzes bleibt als Sägenebenprodukt für die energetische Nutzung übrig, während der weitaus größere Teil des Stammes mit der Blockbandsäge stofflich genutzt werden kann. Dank der 3-D-Vermessung lassen sich nämlich insbesondere auch noch schöne Bretter aus solchen Stämmen schneiden, die am „dicken Ende“ beziehungsweise Erdstück vom Baum durch Wild oder anderweitig beschädigt wurden. Wurden solche dicken und zugleich unförmigen Stämme vormals oft rein energetisch genutzt – also sofort zerhackt und zu Brennstoff verarbeitet –, kann man nun lediglich schadhafte Stellen entfernen und trotzdem einwandfreie Bretter aus dem Baum schneiden. Das ist nachhaltiger, da das Schnittholz erst viele Jahre stofflich genutzt wird, bevor am Ende des Lebenszyklus immer noch eine energetische Verwendung möglich bleibt.
Hier werden die entrindeten Stämme in die Halle geschleust.
Damit das Prinzip zuverlässig funktioniert, kontrolliert eine „Stereoskopie“ direkt über dem Sägewagen in der Sägehalle, dass der Stamm auf dem Sägewagen auch wirklich dieselbe Lage hat, wie sie der Computer nach der Laser- Vermessung im Tunnel virtuell geplant hatte, um das generierte 3-D-Bild des Schnittprofils in den Stamm legen zu können – die grünen „Science-Fiction-Bilder“ auf Renés Monitor! Da das Sägeblatt der Blockbandsäge nicht beweglich ist, muss der Stamm jeweils so gedreht werden, dass er in der zum vorausberechneten Schnittbild passenden Position am Sägeblatt vorbeigeführt wird.
Die 3-D-Technik sitzt im unscheinbaren Gehäuse oben rechts im Tunnel.
René drückt einen Knopf am Joystick, der Sägewagen startet und die Bandsäge schneidet wunderschöne, kerzengerade Bohlen aus dem draußen am Aufgabetisch noch eher krummen Stamm. Auf dem Bildschirm blitzen schon wieder neue grüne Linien auf, die die Bohlen im nächsten Stamm symbolisieren, der heranrollt.
Ein „Besäumer“ wird im weiteren Verlauf der Sägelinie noch die „Waldkante“ an äußeren Bohlen abschneiden. Sie wird in einem angeschlossenen Hacker und einer Hammermühle direkt zu pelletierfähigem Material, während die Bohlen an der letzten Station der neuen Sägelinie in perfekte Bretter zerteilt werden.
Die Stämme rollen unter der Stereoskopie hindurch, die sich in den drei schmalen Gehäusen an der Traverse befindet, auf den Sägewagen. Diese Optik prüft, ob die Lage der vorher berechneten entspricht.
Diese kann ein Kollege von René an einer (bereits 2017 für die SEO-Sägelinie der WWP angeschafften) Nachschnittsäge noch millimetergenau auf Länge bringen sowie Bretter, die zum Beispiel ein Astloch aufweisen, ausschleusen und an eine Station mit einer Kappsäge weiterleiten. Dort werden Stücke vor und nach dem Astloch abgetrennt, zu kürzeren Brettern verarbeitet, und lediglich die Stelle mit dem eigentlichen Astloch geht in den Hacker.
So ist am Ende wirklich jeder Zentimeter Schnittholz aus dem Rundholz herausgeholt worden, der möglich ist. Nachhaltiger lässt sich ein Baumstamm vermutlich in einem Sägewerk nicht mehr nutzen.
Uwe Schmalenbach