Sonne für die Solarzellen – und Abels‘ Tomaten
/„Ich mag am liebsten Tomaten“, sagt Christoph Abels und schwärmt von deren unvergleichlichem Geschmack, wenn sie aus dem eigenen Garten stammten. Den habe halt kein Supermarkt-Gemüse. „Die hier könnten allerdings noch etwas Sonne vertragen“, fügt seine Frau Angelika an, während sie die noch eher kleinen grünen Früchte mustert. Die Tomatenpflanzen ragen vor einer massiven Holzwand empor, die aus Polarkiefer gefertigt wurde – so wie das ganze sehenswerte Haus der Abel‘ in Stein-Wingert. Das eigentlich Bemerkenswerte sind hier jedoch nicht die kräftigen Tomatenpflanzen, sondern das Dach des Gebäudes. Das leuchtet gerade wunderbar gelb.
„Das war eine tolle Erfahrung, es ging völlig unkompliziert. Innerhalb weniger Tage hatten wir das Geld auf dem Konto“, lobt Christoph Abels. Das Geld, von dem der Hausherr spricht, ist eine Förderung gewesen, mit der GSL, das „Grüner Strom Label“ (siehe Kasten) eine Photovoltaikanlage finanziell unterstützt hat, die das Ehepaar in Stein-Wingert auf dem Dach seines Holzhauses im vergangenen Jahr montieren ließ.
„MANN Naturenergie“ ist ein GSL-Partner der ersten Stunde und vermittelte den Zuschuss für die PV-Anlage. Denn bei dem Westerwälder Energieversorger sind die Abels‘ seit einigen Jahren Stromkunden, haben den Tarif „MANN Cent“ gewählt. Bewusst, wie sie herausstellen. Dieser ist vom unabhängigen Ökolabel GSL wiederholt zertifiziert worden. Dadurch wird nicht nur echter Ökostrom garantiert, sondern ein Teil des Verbrauchspreises für den Ausbau der erneuerbaren Energien abgezweigt. So wie im Beispiel der Förderung der Solaranlage von Christoph und Angelika Abels, die aus eben diesem GSL-Topf stammt.
Allerdings benötigen die Hausbesitzer nur sehr wenig zugekauften „MANN Strom“, sind so gesehen also „schlechte“ MANN- Kunden. Denn die PV-Anlage auf dem Polarkiefer-Haus leistet 9,6 Kilowatt. Ein schon recht ordentlich dimensionierter Speicher kann 8,8 Kilowattstunden der selbsterzeugten elektrischen Energie für Momente aufbewahren, in denen die Sonne nicht scheint. So sind Abels‘ im laufenden Jahr bereits seit Februar autark, haben seither keinen „MANN Strom“ mehr verbraucht. „Obwohl 2024 bisher kein gutes Sonnenjahr ist, kommen wir gut zurecht“, betont Christoph Abels.
Während der gebürtig aus dem Hachenburger Stadtteil Altstadt Stammende das schildert, schwirren über seinem Kopf allerhand Insekten auf den insgesamt 240 Quadratmeter großen Dachflächen herum, landen ein paar Meisen darauf, hüpfen Rotschwänzchen und Kleiber umher. Unzählige Färberkamillen hüllen das Dach in tiefes Gelb. Einige Schnittlauchhalme strecken sich dem Himmel über der Kroppacher Schweiz entgegen, Johanniskraut schaukelt im Westerwälder Sommerwind, Dutzende Karthäusernelken lassen ihr sattes Pink leuchten. Denn auf dem Holzhaus wurde eine Dachbegrünung angelegt – seinerzeit eines der ersten Projekte dieser Art im ganzen Westerwald.
Es wächst wahrlich eine Menge auf dem Haus, dort oben herrscht Leben. Bei Regen füllt das Gründach zudem eine Zisterne, die die Abels‘ ebenfalls besitzen und aus der beispielsweise die Toilettenspülungen im Haus umweltfreundlich gespeist werden.
„Die hier haben sich vom Dach aus selbst ausgesät“, ruft Angelika Abels herüber und deutet auf einige Karthäusernelken, die es in die Beete des sehenswerten und von ihr liebevoll gepflegten Gartens geschafft haben. „Genauso wie der Sandthymian hier, der ist auch vom Dach.“
1.200 Quadratmeter misst das Grundstück, das Christoph und Angelika Abels für ihr Haus in Stein-Wingert gekauft haben. Der Garten und geschmackvoll gestaltete Terrassen nehmen einen großen Teil davon ein. Der Garten besteht indessen nicht allein aus herrlichen Blumenbeeten, sondern dient ebenso als Nutzgarten. Und selbst zwischen den vielen Blumen findet man einiges zum Abpflücken und Essen. „So wie diese Erdbeeren hier. Die habe ich in diesem Jahr einfach einmal dazwischen gesetzt“, schmunzelt Angelika Abels und zupft einige rote Früchte ab.
Im Jahr 2000 wurde das Haus gebaut. Im Jahr zuvor reisten Abels‘ nach Norwegen (die in Stein-Wingert verbaute Polarkiefer stammt aus Finnland), um sich Holzhäuser anzusehen. Dabei hatte das Paar damals bereits ein Hausprojekt hinter sich, als es, nach anderen Stationen auf dem Lebensweg, 1984 wieder zurückkehrte in den heimischen Westerwald und in Bölsberg ein altes Bauernhaus erwarb. Und es aufwändig und mit viel eigener Arbeit herrichtete.
„Ich mag Holz einfach und arbeite auch gerne damit“, erzählt Christoph Abels. Er ist gelernter Krankenpfleger, inzwischen Rentner. Doch besonders in der Zeit, in der er mit Frau und zwei heute 43 und 41 Jahre alten Töchtern in Bölsberg lebte, da habe er viel über sein Lieblingsmaterial gelernt, sich unter Anleitung von Profi-Handwerkern einiges angeeignet. „Und als wir das Bauernhaus 15 Jahre lang saniert hatten, da sagte er: ‚Jetzt will ich mal ein neues Haus‘“, lacht Angelika Abels. Den passenden Bauplatz dafür entdeckten sie und ihr Mann bei einem Spaziergang in Stein-Wingert.
Dass das neue Haus erst im vergangenen Jahr eine Photovoltaikanlage erhalten habe, sei der Tatsache geschuldet, dass sich lange Zeit kein Handwerksbetrieb getraut habe, eine solche auf ein Gründach zu bauen. „Sonst hätten wir PV schon vor 15 Jahren bekommen“, erklärt Christoph Abels, der hinzufügt, dass er und seine Frau aus Familien stammten, die schon immer sehr naturverbunden gewesen seien.
„Wir fanden auch das in einem Holzhaus sommers wie winters optimale Raumklima gut. Und es ist von Grund auf eine biologische Sache, mit unbehandeltem Innenholz“, führt Angelika Abels weitere Gründe an, warum sie sich für ein Holzhaus und das Gründach entschieden hätten. Im Winter werde Wärme gut gehalten, im Sommer bleibe es selbst unter den Dachschrägen angenehm kühl. Die Dachbegrünung sei dabei eine zusätzliche Isolierschicht. Und außerdem, unterstreicht die Hausherrin, gebe man mit der Dachbegrünung der Natur eine wertvolle Fläche zurück, die jedes Haus für seine Grundfläche nun einmal „verbraucht“.
Nicht alle in Stein-Wingert fanden die Idee der Zugezogenen von Anfang an gut, ein ungewöhnliches, auffälliges und irgendwie „buntes“ Gebäude im Ort zu errichten. „Nein, manche wussten nicht gleich, was sie davon halten sollten, dass wir hier ein solches Vorhaben mitbrachten“, zwinkern Abels‘. „Doch später waren alle begeistert, einfach, weil es toll aussieht“, berichtet Angelika Abels. Inzwischen sei es nichts Ungewöhnliches mehr, dass in Sichtweite vorbeilaufende Wanderer zum Fotografieren des Objektes stehenblieben. „Die ersten Jahre war das hier fast ein Wallfahrtsort“, lacht Christoph Abels.
Der Himmel reißt plötzlich auf, die Sonne kommt heraus, „knallt“ sommerlich-heiß auf die Große Nister unten im alten Ortskern von Stein-Wingert. Gleißend funkelt der Fluss. Viele fleißige Hummeln nutzen das schöne Wetter und scheinen noch eifriger als zuvor von Färberkamille-Blüte zu Färberkamille-Blüte über Abels‘ Gründach zu summen. Und die Photovoltaik-Module nebenan produ- zieren jetzt maximal Strom für den Speicher. Auch die Tomatenpflanzen bekommen viele Sonnenstrahlen ab – gewiss wird Christoph Abels den Geschmack seines Lieblingsgemüses bald schon genießen können. Und sich unterdessen beim Blick aufs mit einer entsprechenden App ausgestattete Smartphone darüber freuen, wie viele Kilowattstunden „sauberen“ Ökostrom er und seine Frau mit dem kleinen Kraftwerk auf dem gelb leuchtenden Gründach in diesem Sommer selbst erzeugt haben.
Uwe Schmalenbach