Manchmal erinnert eine Tür an die Großeltern

Wenn man eine Weile mit Markus Löhr zusammensitzt, beginnt er bald zu schwärmen. Von der Begeisterung für sein Handwerk, von Lampen im Oberlicht, handgeschmiedeten Bronzebeschlägen, wiederverwendeten Eisengittern. Er referiert packend über „Bedarfsflügel“, „Fächerprofile“ und geschnitzte Familienwappen. Man merkt rasch: Die Haustüren, die in der Schreinerei Löhr in Höchstenbach gefertigt werden, sind für den Inhaber eine tief empfundene Leidenschaft.

Der Schwerpunkt der Arbeiten in Markus Löhrs (rechts) Werkstatt sind historische Haustüren, die oft mit Schnitzarbeiten von Silas Loch (links) verziert werden.

Höchstenbach in der Verbandsgemeinde Hachenburg ist dörflich geprägt: Gut 700 Einwohner, keine zehn Prozent davon mit ausländischer Staatsangehörigkeit. Es gibt einen Italiener, Grillimbiss, Tankstelle, Bäckerei. Das Flüsschen Wied plätschert gleich hinter Markus Löhrs Betrieb vorbei. „Was los“ ist in Höchstenbach vor allem auf der zu Stoßzeiten unangenehm stark befahrenen Bundesstraße 413, die das Dorf der Länge nach durchzieht und dort obendrein der B 8 begegnet. Oder wenn der Freizeit- und Kulturverein „Zum Weißen Ross“ zum Sommerfest in die „Event-Scheune“ lädt, der evangelische Posaunenchor ein Benefizkonzert spielt oder die örtliche Kirmesgesellschaft die Pfingstkirmes organisiert.

Doch trotz aller Beschaulichkeit: Türen aus Höchstenbach finden sich deutschlandweit und sogar im Ausland! Ja, er habe zum Beispiel bereits nach Dänemark, Frankreich, in die Schweiz oder nach Luxemburg geliefert, bestätigt Markus Löhr. Zuweilen schreitet man selbst an sehr bekannten Orten wie etwa in der Villa Hügel in Essen durch von ihm und seiner Mannschaft gefertigte Portale.

Silas Loch ist sehr talentiert beim Schnitzen.

2004 hat Markus Löhr den traditionsreichen Betrieb in fünfter Generation vom Vater übernommen. Der Junior spezialisierte sich rasch auf Türen. „Haustüren waren schon immer mein Steckenpferd“, erklärt er nur knapp. Der Handwerksmeister hat 15 Mitarbeiter – darunter allein sechs mit einem Abschluss als Tischlermeister! Verarbeitet wird entweder Westerwälder Eiche aus dem heimischen Sägewerk Schmitz in Hamm/Sieg, astreines Holz oder – so nennen es die Fachleute – „Altholz“ aus Fachwerkbauten.

Letzteres schneiden die Mitarbeiter der Schreinerei Löhr zunächst auf, erhitzen es auf 70 Grad und reduzieren seine Feuchtigkeit auf elf bis zwölf Prozent. Weiter runter werde es, anders als Möbelholz, nicht getrocknet, erläutert der Schreinereichef. Andernfalls würde sich die spätere Haustür verziehen, wenn sie eingebaut wurde und der Luftfeuchtigkeit ausgesetzt ist.

Eine Glaserin gehört ebenfalls zum Höchstenbacher Team und fertigt passende Bleiglasscheiben an.

Aber dann sind die Portale sehr widerstandsfähig. Lackiert wird in Höchstenbach nicht, allenfalls lasiert oder geölt. Vor allem Türen „mit historischem Charakter“ von Jugendstil bis Barock fertigen Löhr und seine Leute, genauso Nachbauten denkmalge- schützter Türen. Trotz der bewusst altertümlichen Optik steckt in den Türen modernste Technik. Fünffach-Verriegelungen bieten Sicherheit auf höchstem Niveau, meist erhalten die Türen auch einen Glaseinsatz. Die Verglasung ist auf Wunsch sehr belastbar und bei Bedarf sogar schusssicher. Kommt Bleiverglasung zum Einsatz, so wird auch diese in Höchstenbach hergestellt.

Sechs bis sieben Monate dauere es nach dem Erstgespräch bis zur eingebauten Tür, beschreibt Markus Löhr. Die gemeinsame Gestaltung mit den Kunden nehme meist zwei bis drei Stunden in Anspruch, „und die Leute kommen oft schon mit genauen Vorstellungen zu uns“, ergänzt der Handwerksmeister.

In dessen Werkstatt werden alle Maschinen mit „MANN Strom“ betrieben, soweit eine eigene PV-Anlage auf dem Dach mit knapp 30 Kilowatt Leistung sie nicht zu speisen vermag. Seine private Bleibe sowie einige Immobilien versorgt Markus Löhr ebenso mit dem echten Ökostrom aus dem Westerwald. Löhr und Mann lernten sich kennen, als Markus Mann, geschäftsführender Gesellschafter von „MANN Naturenergie“, selbst eine neue Tür benötigte. 2014 wurde der Schreinermeister Kunde beim Langenbacher Energielieferanten.

Zu 95 Prozent werden in Höchstenbach massive Türen gefertigt. Fotos: Schmalenbach

„Aber das mit der Tür war nicht der Hauptgrund, ‚MANN Strom‘ zu beziehen“, schildert Markus Löhr, „es ist mehr, dass es ein Unternehmen ist, zu dem ich Vertrauen habe und das vor der Haustür ist. Ich will nicht jedes Jahr einen neuen Anbieter suchen müssen – aber auch nicht über’s Ohr gehauen werden“, schmunzelt der Höchstenbacher Unternehmer.

In der Werkstatt ist Silas Loch gerade dabei, Ornamente in eine Tür zu schnitzen. Loch befindet sich noch in der Ausbildung, hat aber im bayerischen Wald bereits eine Schnitzschule besucht und hat offenbar „ein Händchen“ für Schnitzarbeiten. „Du machst das wirklich klasse“, lobt sein Chef, als er dem Azubi über die Schulter schaut. Der will im Anschluss an die Lehre bei Meister Löhr ein Jahr lang zu „work and travel“ in Kanada aufbrechen, um mit neuen Ideen zurückzukehren.

Markus Löhr hat einen üppigen Vorrat an Altholz-Balken für den Rahmenbau.

Probleme, seinen Personalbedarf zu decken, kenne er nicht, schüttelt Markus Löhr den Kopf. „Richtige Handwerker möchten eine so geile Arbeit machen!“, stellt er heraus und blickt versonnen auf das Bild einer Tür aus der Zeit des Klassizismus. Ein junges Paar sei mit einem alten Foto zu ihm gekommen, erzählt der Westerwälder: „Die jungen Leute hatten ein Haus von den Großeltern geerbt und wollten diesem die Ursprungstür zurückgeben.“ Dafür hätten sie die vor dem Einzug ins Erbe bereits georderte Einbauküche abbestellt. Das Gebäude betritt man dafür nun durch die lediglich anhand der alten Fotografie in Höchstenbach nachgebaute Türe, die an die Großeltern erinnert.

Solche Geschichten kann Markus Löhr zu etlichen seiner Arbeiten erzählen, viele davon sind anrührend. Auf einmal begreift man, warum er anfangs davon gesprochen hatte, dass Haustüren für ihn eine Leidenschaft seien.

Uwe Schmalenbach

Interessierte Besucher und viele kluge Fragen

Sie sei bereits seit elf Jahren Kundin bei den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP), erzählt Carolin Cramer. Immer schon habe sie einmal zum Besuchertag kommen und schauen wollen, wie der Brennstoff für ihre Heizung entsteht. „Aber irgendwie hat das nie so richtig hingehauen von der Zeit her“, so Cramer, „doch heute hat es geklappt.“ Mit den WWP sei sie sehr zufrieden, lobt die Kundin: das Produkt überzeuge sie und die Fahrer seien bei den Lieferungen stets pünktlich, nett und um Sauberkeit bemüht. „Ich kann nichts anderes sagen“, betont Carolin Cramer, die zusammen mit ihrem Partner Ralf Gatzke als nächstes einen Blick in den elektrischen Großspeicher auf dem Werksgelände werfen will.

Jan-Philipp Alhäuser (rechts) erläutert die Baumaßnahmen.

Wann startet das Bahn-Projekt der WWP? Wie viele Mitarbeiter sind in Langenbach bei Kirburg tätig? Woher kommt das hier verarbeitete Holz? Welche Baumarten werden verwendet? Und wie lang dürfen Stämme sein, die gesägt werden? Die Gruppen, die sich bei insgesamt sieben Führungen im Stundenrhythmus über das Werksgelände, zu den Pelletpressen, in die Spänehalle oder zum Ladepark begleiten lassen, nutzen rege die Gelegenheit, um ihre vielen Fragen zu stellen.

Welche Gesamtleistung haben die auf dem Firmenareal installierten Photovoltaik-Module? Wie groß ist der Strombedarf der WWP im Jahr? Wie wird er gedeckt? Ein toller Austausch zwischen Besuchern und den Mitarbeitern, die die Gruppen betreuen, entsteht auf den Runden. Man merkt, dass sich das Gros der Anwesenden daheim durchaus schon mit Aspekten der Energiewende befasst haben muss.

Anna Lena Hastrich (2. von rechts) hat Schwester und Eltern mitgebracht.

Auch Karl-Heinz Feldmeier ist unter den Besuchern. „Ich war schon einmal beim Tag der offenen Tür bei den WWP – da war man mit den Elektro-Lkw hier noch ziemlich am Anfang“, berichtet er. „Und die haben sich inzwischen bewährt, habe ich heute schon erfahren. Für mich ist der Einblick heute sehr interessant“, fährt Feldmeier fort, „weil wir mit unserer Energieversorgung unabhängig werden müssen! Vom Öl und vor allem vom Ausland. Das ist der Grund, warum ich mich informiere, welche Lösungen es hier schon gibt. Wir müssen uns vor allem regional und mit alternativen Energien versorgen“, meint der in Mittelhof Lebende.

„Nach der Trocknung haben wir noch ungefähr zehn Prozent Wassergehalt in den Spänen“, führt Jan-Philipp Alhäuser derweil aus, der die Gruppe von Karl-Heinz Feldmeier übers Gelände lotst. Die laufenden Bauarbeiten für die zweite Sägelinie der WWP finden seine Zuhörer genauso faszinierend wie die sechs Schnelllader im firmeneigenen Ladepark, an denen die inzwischen sieben elektrischen WWP-Lkw „auftanken“, die Karl-Heinz Feldmeier besonders interessieren.

Stichwort Ladetechnik: Etwas weiter nutzt Marcel Melchior den Besuchertag in diesem Augenblick, um sich bei Markus Langenbach vom MANN-Team „E-Mobilität und Infrastruktur“ zu den Möglichkeiten kundig zu machen, die es für sein Vorhaben gibt: „Wir bauen derzeit ein Haus bei uns im Garten für meine Eltern. Die haben schon ein Elektroauto. Und mein nächster wird auch irgendwann ein Elektro werden. Da sind wir gerade in der Planung, wie wir die ganze Wallbox- und PV-Geschichte daheim am schlauesten anlegen.“ Das Gespräch am Stand von „MANN Energie“ habe ihm zu diesem Thema „definitiv“ viel gebracht, nickt Melchior: „Einiges wusste ich schon – aber es war, nachdem ich mich vorher schon etwas eingelesen hatte, sehr informativ, sich von einem Fachmann die Herangehensweise bestätigen zu lassen, die ich mir für unser Vorhaben vorgestellt habe.“ Durch das kostenlose Beratungsangebot habe sich der Weg zum Besuchertag für ihn gelohnt, urteilt der Bauherr.

Daniel Rahn erläutert die Siloanlage.

„Insgesamt haben wir 9.000 Tonnen Lagerkapazität für Pellets“, erläutert unterdessen Daniel Rahn, der mit einer weiteren, fast siebzigköpfigen (!) Gruppe auf einem nächsten Betriebsrundgang unterwegs ist. Tatsächlich sind alle Führungen während des gesamten Besuchertags bemerkenswert stark frequentiert. „Das ist gut ein Fünftel unserer Jahresproduktionsmenge“, setzt Rahn seine Erklärungen fort, „letztes Jahr haben wir 45.000 Tonnen Holzpellets gemacht. Wenn Sie zu Hause im Jahr vielleicht vier Tonnen verbrauchen, ist das die Menge, die wir hier in 20 Minuten pressen!“ Schmunzeln bei den konzentriert Zuhörenden um ihn herum.

Darunter ist Anna Lena Hastrich. Sie war im Vorjahr zum ersten Mal beim Besuchertag in Langenbach. „Meine andere Schwester, die heute nicht dabei ist, hat mich seinerzeit eigentlich dazu gebracht“, sagt Hastrich. Dieses Mal ist sie mit ihrer zweiten Schwester sowie den Eltern nach Langenbach gekommen, das Führungsangebot nehmen die vier quasi als gemeinsame Familienaktivität wahr. Zum einen wolle auch sie wissen, woher die Pellets für ihren heimischen Pelletofen genau kommen, antwortet Hastrich auf die Frage nach dem Grund für ihre Teilnahme. „Und ich fand letztes Jahr die Betriebsführung so interessant. In der ‚Wäller Energiezeitung‘ habe ich gelesen, dass dieses Jahr erneut Gelegenheit dazu besteht. Darum habe ich den anderen vorgeschlagen, mitzukommen – und da hat sich einer nach dem anderen dazu entschlossen.“

Anna Lena Hastrich stammt aus der Nähe von Westerburg. Die Grundschullehrerin ist ebenfalls „MANN Strom“-Kundin. Der regionale sowie der ökologische Aspekt seien für sie die Gründe, Strom und Pellets aus Langenbach zu beziehen, erklärt sie. „Aber auch die Qualität der Pellets überzeugt mich“, fügt sie hinzu. „Außerdem gefällt mir, was die hier für die Region, aber ebenso die Mitarbeiter machen.“ Darüber lese sie viel in der „Wäller Energiezeitung“ sowie im WWP-Newsletter, „und das überzeugt mich einfach. “

Carolin Cramers Betriebsrundgang ist inzwischen zu Ende und wieder am Ausgangspunkt zurück. Ihr Haus musste seinerzeit kernsaniert werden, schildert sie nach der Besichtigung. Sie muss dabei ein wenig lauter sprechen, denn im Hintergrund schnauft die 100-jährige Dampfwalze „Julia“ gerade ein weiteres Mal zu einer Runde mit mitfahrenden Besuchern los und pfeift schrill. „Eine neue Heizung brauchte ich auf jeden Fall – und Öl und Gas standen nicht zur Debatte“, fährt Cramer fort. Beim Heizen mit einer Wärmepumpe schreckte sie ab, dass das in einem kalten Westerwälder Winter am Ende zu viel Strom kosten könnte. „Deswegen sind es relativ schnell die Holzpellets geworden. Und mit einem Lieferanten hier direkt aus der Region kann einem eigentlich nichts Besseres passieren.“

Carolin Cramer lebt nur rund zehn Kilometer vom WWP-Pelletwerk entfernt. Die Führung übers Werksgelände habe ihr gut gefallen und ihr genau die Einblicke gegeben, die sie beim diesjährigen Besuchertag zu bekommen gehofft hatte, sagt sie.

Natürlich soll das Event bei aller sachlichen Information ebenso etwas Unterhaltung bieten, ja beides miteinander kombinieren. Das finden die Kinder von Marcel Melchior gut: Zusammen mit dem Elektroauto affinen Vater und ihrer Mutter sind sie jetzt zu den ausgestellten elektrischen Lkw gegangen. Dort dürfen sie ins Führerhaus eines E-„Volvo“ klettern und mit Fahrer Olaf eine Proberunde in der nahezu geräuschlosen Zugmaschine drehen.

Radelnd zu Beispielen der Energiewende

Einen kurzen Streckenabschnitt ihrer zweitägigen, insgesamt rund 220 Kilometer langen „Energiewendetour“ strampelt die „Equipe EuroDeK“ gar nicht selbst, sondern lässt sich fahren. Notgedrungen: Von Sankt Goarshausen nach Sankt Goar führt die Route der 16 teilnehmenden Radsportler über den Rhein, und über diesen ausschließlich eine Fährverbindung. Mit ihren vor der Ausfahrt blitzblank geputzten Rennrädern rollt die Truppe darum auf die von 374 PS angetriebene „Loreley VI“ und lässt sich von ihr hinüberbringen – ehe es vom anderen Ufer aus für die Radler lange bergan, hinauf auf den Hunsrück geht.

Die Equipe rollt auf die „Loreley VI“. Auch am zweiten Tag muss sie sich per Fähre über den Rhein fahren lassen, von Niederheimbach nach Lorch, um auf die rechte Uferseite zurückzukommen.

1977 ging es erstmals los: Radsportler aus den Vereinen RSG Montabaur und RSV Oranien Nassau wollten während ihrer Hobbyausübung zur europäischen Verständigung beitragen und fuhren zunächst vor allem in Frankreich herum (zumal Montabaur mit Tonnerre eine Partnerstadt im Burgund hat). „Der Wein war schön und die Franzosen hatten Spaß, wenn wir das deutsche Bier mitgebracht hatten“, blickt Organisator Uli Schmidt schmunzelnd auf die Anfänge der etwa 25-köpfigen Gruppierung zurück. Inzwischen ist die „Equipe EuroDeK“ als Radsportvereinigung für Europa, Demokratie und Klimaschutz unterwegs.

Startschuss in Boden.

„Heute haben wir uns hier zu einer unserer Thementouren zusammengefunden“, schildert Schmidt am Start einer zweitägigen Etappenfahrt durchs nördliche Rheinland-Pfalz, bei der es um Energie aus erneuerbaren Quellen und ganz konkrete, bereits realisierte Projekte gehen soll. „Das ist wohl unsere Spezialität: Wenn man mit dem Fahrrad durch die Gegend fährt, ist das eine sehr schöne Sache. Aber wir wollen, wenn wir schon viel Fahrrad fahren, das mit wichtigen Themen verbinden.“

Die Sportler sind überzeugt, dass man das Thema Energiewende nicht länger vor sich her schieben kann. Darum besichtigen sie bei ihrer „Energiewendetour“ mehrere Vorzeigeprojekte, so wie beim Start auf dem Gelände der Firma „Goerg & Schneider“ in Boden.

Gerd Stein (links) erläutert den „Maxwäll“-Solarpark.

Auch Markus Mann, geschäftsführender Gesellschafter von „MANN Naturenergie“, ist zu diesem traditionsreichen Familienunternehmen der Tongewinnung und -verarbeitung gekommen. Denn zum einen sponsert MANN die „Energiewendetour“ der „Equipe EuroDeK“. Zum anderen sind sein Energieunternehmen und „Goerg & Schneider“ Teil eines bemerkenswerten „PPA“, eines „Power Purchase Agreements“, das für 15 Jahre geschlossen wurde und zu dem ein dritter Partner gehört: In diesem „Stromkaufvertrag“ ist geregelt, dass „Goerg & Schneider“ für ihre Produktion Grünstrom von der „Maxwäll-Energie Genossenschaft eG“ beziehen. Dieser 2012 gegründete Zusammenschluss hat momentan 623 Mitglieder und betreibt insgesamt fünf Solarparks, die zusammen 7,5 Millionen Kilowattstunden Ökostrom im Jahr liefern.

…und die Steigung auf den Hunsrück zieht sich…

Hier kommt das PPA ins Spiel: Liefert die Genossenschaft vorübergehend zu wenig Strom für den Momentanverbrauch von „Goerg & Schneider“, gleicht der Langenbacher Energieversorger MANN den Mangel über seinen eigenen Bilanzkreis aus – und zwar ausschließlich mit ebenfalls physikalisch gekoppeltem Ökostrom, der aus Wind-, Wasser- und Sonnenenergie sowie aus fester Biomasse gewonnen wird. Damit ist ganzjährig und witterungsunabhängig garantiert, dass die von „Goerg & Schneider“ benötigten Strommengen jederzeit als echter Ökostrom zur Verfügung stehen – gleich, ob er gerade in einem Solarpark der Genossen entsteht oder aus den anderen Quellen kommt.

…oben angekommen, gibt es erst einmal eine Pause vor der Weiterfahrt.

Umgekehrt ist „MANN Naturenergie“ in der Lage, einen etwaigen Überschuss aus den Solarzellen von „Maxwäll“ aufzunehmen und über den eigenen Bilanzkreis an andere Kunden weiterzuleiten. Das ist eine sinnvolle Lösung, denn der Solarstrom wird schließlich nicht immer in exakt der Minute bei „Goerg & Schneider“ gebraucht, wenn er gerade anfällt beziehungsweise nicht die komplette Menge, beispielsweise an einem sonnigen Sonntag, an dem in Boden jedoch nicht gearbeitet wird.

Apropos: Der Energiebedarf des Unternehmens ist enorm, wie dessen Geschäftsführer Florian Goerg ausführt: 24 Millionen Kilowattstunden (kWh) Gas braucht seine Firma und im Schnitt 3,4 Millionen kWh Strom im Jahr!

So passt es inhaltlich wirklich hervorragend, dass auf dem Gelände von „Goerg & Schneider“ der Startschuss zur „Energiewendetour“ gegeben wird – wenngleich danach zunächst nur wenige hundert Meter gefahren werden: Direkt nebenan liegt der 2013 gebaute „Solarpark Steinkaut“ der „Maxwäll eG“. Dort zeigt deren Vorstand Gerd Stein den Radsportlern die installierten 9.920 PV-Module à 250 Watt, spricht über die Haltbarkeit von 81 Wechselrichtern in dem Areal („Die wurden alle schon mindestens einmal getauscht“) und die autodidaktische Arbeit an den Anlagen. „Dabei bin ich eigentlich Lokführer von Beruf“, schmunzelt Stein. 2,14 Gigawattstunden Jahresleistung erzeuge der „Solarpark Steinkaut“ – das sei genug für 600 Durchschnittshaushalte, erläutert der „Maxwäll“-Vorstand.

Blick in die Heizzentrale.

„Ich mache das hier seit 15 Jahren mit“, erzählt Radfahrer Frank Schneider am Rande der Besichtigung in Boden. „Die Motivation ist einfach, mit der Gruppe mitzufahren – das macht Spaß. Da geht es rund, auch nach der Etappe… Und man hat die Europaidee dazu.“ Die Gruppierung habe, wegen des häufig angesteuerten Ziellandes, zunächst „Equipe France“ geheißen. „Aber wir haben uns umbenannt, denn die Demokratie gehört unbedingt zu Europa. Das Umweltbewusstsein passt ebenso – wir fahren Fahrrad nur mit Muskelkraft und nicht den ganzen Tag mit dem Auto herum, das Emissionen verursacht und Energie verbraucht“, so Schneider. Einmal im Monat treffe sich die Equipe neben den großen Themenfahrten wie der „Energiewendetour“ außerdem zu einer kleineren Ausfahrt in der heimischen Region, berichtet der 63-Jährige. „Das ist bisher immer super gewesen.“

Die von „MANN Naturenergie“ gesponserte „MANNschaft e. V.“ ist auf der Strecke, die die „Equipe EuroDeK“ bei der „Energiewendetour“ zurücklegt, übrigens ebenfalls sichtbar vertreten: Nicole Schäfer ist als Gastfahrerin im „MANNschafts“-Trikot zu den Radsportkollegen gestoßen. Zum einen wegen des sportlichen Aspekts, beschreibt sie. „Und ich bin beruflich selbst in der Energieberatung tätig – und wollte gerne sehen, was sich ‚hinter den Kulissen‘ der angesteuerten Projekte abspielt. Mir geht es darum, den Kunden nicht nur etwas zu erzählen, ohne selbst zu wissen und gesehen zu haben, wie etwas gemacht wird, woher etwas kommt. Die Tour ist mal eine andere Perspektive auf etwas, das uns alle betrifft – wir haben die Energiewende einfach schon sehr, sehr lang verschlafen. Und es wird Zeit!“, mahnt Schäfer.

Während der Etappenfahrt fällt insgesamt auf, dass es den Sportlern nicht nur um möglichst leichte Kettenblattschrauben, mittelhohe Carbonfelgen und die Faszination ihres Hobbys geht: Ganz offenkundig haben sich die Teilnehmer mit dem Thema Energiewende auch vorher schon befasst. Sie stellen an den Stationen der Zweitagesfahrt kundige Fragen, möchten von den jeweiligen Fachleuten vor Ort etwa wissen, warum bidirektionales Laden bei der Elektromobilität noch nicht klappt, was Netzbetreiber künftig ändern müssen, was die Umwandlung von Solarstrom in Wasserstoff bringt oder wie lange die PV-Module im Solarpark halten.

Mannebach ist ein beschauliches Dorf mit 42 Häusern.

Gelegenheit zum Austausch gibt es während der zwei Tage und 220 Kilometer reichlich, sei es bei der „Naturenergie Heidenrod“ im Taunus, einem Laufwasserkraftwerk an der Lahn oder dem „Nahwärmeverbund für die Gemeinde Ellern“.

Besonders fasziniert die Gruppe auch das Projekt der Genossenschaft „Energie für Mannebach“. In dem kleinen Hunsrück-Dorf leben 105 Menschen in 45 Häusern. 18 davon sind derzeit an die rund 950 Meter Nahwärme-

Leitung angeschlossen, heizen mit dem 70 Grad heißen Wasser, das darüber in den Eigenheimen ankommt. Um Wärme beziehen zu können, muss man Mitglied der Genossenschaft sein. Sie wurde 2012 gegründet, und seit der Inbetriebnahme der Anlage im Dezember desselben Jahres konnte der Preis für die Kilowattstunden Wärmeenergie konstant bei 8,9 Cent gehalten werden.

Wolfgang Wagner ist Vorstand der „Energie für Mannebach eG“ und war zur Gründungszeit Ortsvorsteher des wie fünf weitere Ortsteile zur 2.000-Einwohner-

Gemeinde Beltheim gehörenden Dorfes. In dessen Mitte wird gerade das denkmalgeschützte alte Schulhaus saniert, anschließend soll es ebenso an das Nahwärmenetz angeschlossen werden. Das böte durchaus Kapazität für insgesamt 26 oder 27 Gebäude, führt Wagner aus. Allerdings scheitern Neuanschlüsse potenzieller Interessenten an den inzwischen horrenden Baukosten: „Die Erdarbeiten sind nicht mehr zu bezahlen“, legt Wagner die Stirn in Falten. Zwei, drei Interessenten im Ort in der Verbandsgemeinde Kastellaun, die nach der Energiekrise in Folge des Ukrainekrieges gerne hinzugestoßen wären, hätten Angebote über 20.000 Euro dafür erhalten. „Ohne ein Rohr im Graben, ohne Hausanschluss!“, schüttelt Wagner ungläubig den Kopf.

Je 250 Kilowatt leisten die beiden Kessel der Mannebacher Energiegenossen. Verfeuert werden Hackschnitzel. Bevor die Brenner gekauft und installiert wurden, fand sich ein Arbeitskreis von zunächst vier Leuten aus dem Dorf, besichtigte Anlagen in der Rhön oder in der Eifel. „Es gab ja noch nicht viel – keine Energieagentur, nichts“, erinnert sich Vorstand Wagner. Die Ölkrise und der Wille, selbst aktiv Umweltschutz betreiben zu wollen, seien seine Beweggründe gewesen. „Es geht darum, nicht ‚man könnte‘, ‚man müsste‘ zu sagen – wir haben etwas Konkretes gemacht!“

Wagner fährt ein Elektroauto, und vom Öl müssten wir wegkommen, betont er und berichtet von einer 800-Kilometer-Fahrt per E-Bike zur in Berlin lebenden Tochter. „Ich hatte mir immer vorgenommen, sie mit dem Rad zu besuchen, wenn ich mal Rentner bin – das habe ich jetzt gemacht“, lacht er. Er trägt ein T-Shirt, das neben einem „Berlin“-Aufdruck Fahrräder zieren.

Kein Wunder, dass sich die „Equipe EuroDeK“ hier nach der Ankunft ausgesprochen wohlfühlt: Auf dem Tisch steht zum Empfang frisch gebackener, noch warmer Apfelkuchen aus dem Gartenlauben-Ofen. Dazu wird selbstgepresster Apfelsaft aus eigenen Bio-Früchten gereicht. Hinter der Heizzentrale wächst allerhand Gemüse, Sonnenblumen recken die Hälse nach der Spätsommer-Sonne. Dorfidylle pur.

Auf dem Dach der Heizzentrale sind PV-Module installiert, sie liefern 30.000 kWh jährlich. Davon verbrauchen die Kessel der Genossenschaft etwa 9.000, der Rest wird ins öffentliche Netz eingespeist. Die Genossen überlegen Wolfgang Wagner zufolge, ob sie sich einen Stromspeicher zulegen, damit sie ihren eigenen PV-Strom künftig auch in der Nacht für den Betrieb des Heizhauses (für Motor und Pumpe) verwenden können.

Und während der Apfelkuchen mundet, die Hackschnitzelheizung nebenan sonorig surrt, nutzen die die „Energiewendetour“ Fahrenden abermals die Gelegenheit, sich mit einem Praktiker der Energiewende rege auszutauschen – obwohl sie ja bereits die 1.600 Höhenmeter der Tagestour in den Beinen haben: „Wie groß sind die Wärmeverluste im Nahwärmenetz?“ „Wie ist die CO2-Bilanz der Heizung insgesamt?“

Uwe Schmalenbach

Dreimal dabei – dreimal vorn

Sommerzeit – Fahrradzeit! Längst ist sogar im bergigen Westerwald die Fortbewegung auf zwei schmalen Reifen für viele nicht nur Freizeitspaß, sondern ein Verkehrsmittel auf dem Weg zum Job oder beim Einkaufen. Die Aktion „Stadtradeln“ will – am besten ganzjährig – noch mehr Menschen fürs Fahrrad begeistern und dessen klimaschonende Wirkung herausstellen. Dazu wird die Kampagne alljährlich vom „Netzwerk Klima-Bündnis“ als dreiwöchiger Wettbewerb initiiert, bei dem es darum geht, in Einzel- und Teamwertungen möglichst viele Radkilometer zusammenzubekommen. Die Verbandsgemeinde Bad Marienberg hat sich 2024 zum dritten Mal an der Initiative beteiligt. Und ebenfalls zum dritten Mal in Folge heißt dort der Gewinner: „Die MANNschaft e. v.“

Fototermin für lokale Medien mit dem Verbandsbürgermeister Andreas Heidrich und Touristikerin Kerstin Schmidt.

„Wir haben hier in der Verbandsgemeinde zahlreiche aktive Radler, die in allen drei Jahren beim ‚Stadtradeln‘ dabei gewesen sind und häufig ohnehin, auch außerhalb der Aktionszeit, viel Rad fahren. Die ‚MANNschaft‘ war ebenfalls immer dabei – und hat auch immer gewonnen“, schmunzelt Kerstin Schmidt von der Tourist-Information Bad Marienberg.

In der Teamwertung lagen die von „MANN Naturenergie“ unterstützten Ausdauersportler ebenso vorn wie im Einzelwettbewerb mit ihrem Teammitglied Marek Ermert. 279 registrierte Fahrten hat die „MANNschaft“ in die Wertung eingebracht und mit 25 Aktiven stolze 9.038 Kilometer gestrampelt. Pro Kopf waren das durchschnittlich 362 Kilometer im Aktionszeitraum.

In ganz Rheinland-Pfalz hatten sich 2024 124 Kommunen beteiligt. Landesweit 482.293 registrierte Fahrten ergaben 6.333.125 Kilometer – Resultat von so viel Bewegung ist neben dem Spaß und der gesundheitlichen Wirkung eine CO2-Vermeidung von 1.051 Tonnen im Bundesland, in dem alles in allem 31.752 Menschen an den Start gegangen sind.

Zurück in die Verbandsgemeinde Bad Maienberg: Dort sind 36.571 Kilometer gefahren worden und 148 Menschen beteiligt gewesen. Es könnten gleichwohl zukünftig noch deutlich mehr werden. Verbandsbürgermeister Andreas Heidrich (SPD) wünscht sich dazu, dass es neben dem – nach seinen Worten sehr gut ausgebauten – Netz an touristischen Radwegen in der Region mehr Alltagsradwege geben würde. Dann könnten seiner Meinung nach mehr Westerwälder das Auto häufiger stehenlassen und stattdessen das Rad wählen – selbst wenn es gerade nicht ums „Stadtradeln“ geht. Das E-Bike habe dem Radfahren als Fortbewegungsart speziell im hügeligen Oberen Westerwald aber ohnehin einen Schub für den Alltag gegeben, ergänzt Touristikerin Schmidt.

Die „MANNschaft“ tritt selbstverständlich rein sportlich motiviert ohne elektrische Unterstützung in die Pedalen. Neben solchem Sportsgeist kann Gemeinschaftssinn – auch außerhalb von Sportler-Teams – ebenso eine gute Motivation sein, wie das Beispiel der Evangelischen Kirchengemeinde Kirburg zeigt: Sie ist mit drei Generationen beim „Stadtradeln“ unterwegs gewesen und beachtliche 6.839 Kilometer bewältigt. Dieses Ergebnis reichte in der Teamwertung sogar für Platz zwei hinter der „MANNschaft“.

Mitglieder der „MANNschaft“ mit den Urkunden, die es für den jeweils ersten Platz in der Team- und Einzelwertung gab.

Neue Teile im Wochentakt

Kräne, Bagger, viele Handwerker: Beinahe hat man das Gefühl, im Moment bleibe auf dem Betriebsgelände der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) kaum ein Stein auf dem anderen. Tatsächlich ist der Eindruck nicht völlig falsch: In diesen Wochen wird die größte und komplexeste Einzelinvestition der bisherigen, fast 100-jährigen Geschichte des Familienunternehmens umgesetzt. Darüber sprach Uwe Schmalenbach mit Prokurist und Projektingenieur Daniel Rahn sowie dem Abteilungsleiter des WWP-Sägewerks, Jan-Philipp Alhäuser.

Daniel Rahn (links) und Jan-Philipp Alhäuser wollen im Dezember das erste Holz auf der neuen Sägelinie schneiden. Fotos: Schmalenbach

Es gibt bei den „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) ja häufiger Baustellen, da oft vorhandene Anlagen optimiert werden. Die Bauarbeiten, die man derzeit sieht, scheinen jedoch ungewöhnlich umfangreich zu sein…

Jan-Philipp: Es sind momentan ja auch zwei Baustellen. (lacht)

Daniel: Einerseits bauen wir eine zweite Sägelinie auf unserem Betriebsgelände. Und als Folge daraus brauchen wir andererseits mehr Lagerfläche für das Rundholz, für andere Holzsortimente – sprich: Wir müssen auch unseren Rundholzplatz erweitern. Das ist die von Jan-Philipp angesprochene zweite Baustelle.

Wofür ist es überhaupt erforderlich, eine zweite Sägelinie zu bauen?

Daniel: Das ist ein Schritt innerhalb des Gesamtkonzeptes, mit dem wir uns zukunftsfähig machen. Wir wollen uns damit dem Markt weiter öffnen und nicht nur, wie bislang, dünne Durchmesser sägen, sondern unser Portfolio erweitern und künftig ebenso Starkhölzer schneiden können – bis hin zu einem Meter Durchmesser! Der Stamm muss allerdings erst einmal aufs Gelände kommen. (schmunzelt)

Jan-Philipp: Zudem hat eine Bandsäge, wie sie die neue Sägelinie bekommen wird, viele Vorteile.

Zum Beispiel welche?

Jan-Philipp: Wir erwarten damit eine deutlich höhere Ausnutzung des Holzes. Wir erhalten „mehr Schnittholz pro Rundholz“ im Vergleich zur herkömmlichen Sägelinie. Wir können außerdem weitere Produkte anbieten, wir können Laubhölzer schneiden, wenn es erforderlich ist. Wir werden variabler.

Bisher verarbeiten die WWP ausschließlich Nadelhölzer?

Jan-Philipp: Ja.

Und in der Zukunft ebenso Laubholz, weil Nadelhölzer wie die Fichte hier im Westerwald durch den Klimawandel verschwinden?

Daniel: Wir wissen ja heute noch nicht, was in den kommenden Jahren im Wald gefällt und was neu angepflanzt werden wird. Mit der neuen Technik sind wir flexibler, um uns veränderten Situationen anpassen zu können.

Was ist für diese Flexibilität jetzt alles auf den besagten Baustellen zu errichten?

Daniel: Als wir uns 2016 dazu entschlossen hatten, überhaupt eine (erste) Sägelinie zu bauen – damals fiel die Wahl auf unsere stofflich-energetisch optimierte Sägeanlage (SEO) –, war unsere Idee, eine solche Schwachholzsägelinie einige Zeit später in identischer Bauart in einer zweiten Linie nebendran in die Halle zu stellen. Diese Planung hat sich durch den Klimawandel verändert, weil die Schwachhölzer, wie man sie dafür braucht, zusehends weniger im Markt vorhanden sind. Darum weichen wir nun von dem alten Plan ab und bauen die Blockbandsäge. Damit geht auch die besondere Schwierigkeit unserer derzeitigen Baustellen einher.

Worin besteht die?

Daniel: Die Halle war fertig, das Umfeld wurde daran angepasst. Jetzt brauchen wir aber auf einmal mehr Platz für eine zweite Linie, als wir damals vorgesehen hatten; die neue Säge ist vier- bis fünfmal so groß wie die vorhandene SEO! Dementsprechend müssen wir die bestehende Halle vergrößern. Und es ist eben nicht einfach ein größeres Gebäude „auf der grünen Wiese“ neu zu bauen. Stattdessen bauen wir im Bestand. Das ist die Schwierigkeit. Wir haben dabei wenig Platz, müssen mit dem vorhandenen Raum zurechtkommen. Das ist im Moment unsere Aufgabe, das passend zu koordinieren. Dazu müssen wir uns viel Detailarbeit angucken.

Eine Schwierigkeit: Der bisherige Sägewerksbetrieb und die Baumaßnahmen müssen im wahrsten Wortsinn parallel erfolgen.

Könnt Ihr Beispiele für solche Details nennen, die es kompliziert machen?

Jan-Philipp: Hauptsächlich die Schnittstellen zwischen unseren einzelnen Maschinenlieferanten. Denn wir haben ja nicht nur einen einzigen, sondern fünf oder sechs. Quasi zwischen allen Einzelteilen gibt es eine Schnittstelle.

„Einzelteilen“?

Jan-Philipp: Wir haben eine Rundholzaufgabe, die entrindet und den Wurzelanlauf reduziert. Das allein sind schon zwei verschiedene Hersteller. Als nächstes die eigentliche Sägelinie. Danach geht es auf das sogenannte Stapelwerk zum Abstapeln des Schnittholzes. Und die „Entsorgung“ der Sägenebenprodukte ist ein weiteres, eigenes Kapitel.

Daniel: Das sind die Schnittstellen mit den Lieferanten. Die anderen Schnittstellen sind die in unserem Betrieb: Wir müssen die Verbindung zu unserem Rundholzeingang schaffen, die Schnittstelle zur Bretterabstapelung und Nachschnittsäge herstellen. Ebenso die Stromanbindung: Das sind riesig große Maschinen, die einiges an Änderungen an unserer internen Strombereitstellung erfordern. Dafür benötigen wir etwa eine komplett neue Trafoanlage. Außerdem sind da noch die Wege im bestehenden Unternehmen.

Was meinst du damit?

Daniel: Zum Beispiel müssen wir mit der neuen Sägelinie an einer Stelle die alte Sägelinie kreuzen. Da läuft ein „Kratzkettenförderer“ durch die bestehende Sägelinie förmlich mitten hindurch! Wir müssen dazu ein Loch in eine Verblechung schneiden, weil dort ein zweiter Förderer kreuzt. Und solche Punkte haben wir halt mehrere. Da muss man gucken: Passt das? Passt das nicht? Klar, auf dem Papier, in Plänen passt es, doch wie ist es montierbar? Die alte Halle wurde nach und nach logistisch sinnvoll aufgebaut, als sie neu errichtet wurde. Wenn ich jetzt aber irgend eine schwere neue Maschine da einbringen will, haben wir entweder die Wahl, alles Vorhandene erst einmal zurückzubauen, was allerdings bedeuten würde, dass unser Betriebsprozess lange ruhen müsste. Die Alternative ist halt, mit Kompromissen zu planen, so dass die alte Linie weiterlaufen kann, die Bauarbeiten drumherum dennoch erfolgen können.

Welche Kompromisse sind dazu notwendig?

Daniel: Beispielsweise müssen manches Mal Löcher ins Dach der bestehenden Halle geschnitten und kurzzeitig das Dach aufgedeckt werden, damit die Maschine hineingehoben werden kann. Anschließend muss das Dach wieder geschlossen werden. Das bedarf viel Koordination…

Daniel Rahn markiert jene Stelle, an der die neue die alte Sägelinie kreuzen muss.

Vorhin fiel das Stichwort „Entsorgung“: Wird es bei der Blockbandsäge ebenfalls so sein, dass die Sägenebenprodukte wie Holzspäne über eben diese Entsorgungseinrichtungen einer sinnvollen Weiterverwertung zugeführt werden können?

Jan-Philipp: Ja. Wir setzen dabei auf ein innovatives Produkt der Firma Rudnick & Enners. Das Ding nennt sich „Twin Chipper“.

Was ist das und was tut es?

Jan-Philipp: Das ist quasi eine Kombination aus einer Hammermühle und einem Hacker, die hacken und mahlen in einem kann, so dass hinten im Prinzip ein trocknungsfähiger Span herauskommt. Und da wir trotz aller Veränderungen wohl weiter hauptsächlich Nadelholz schneiden werden, gehen diese Späne direkt in die Pelletproduktion.

Ist das bisher nicht auch schon so?

Jan-Philipp: Ja, doch zukünftig ohne Umwege.

Umwege?

Jan-Philipp: Bisher sieben wir das Material, müssen es noch einmal zerkleinern in der Hammermühle oder in einem separaten Hacker, wenn wir übergroße Stücke haben. Das entfällt dann alles.

Die Sägespäne gehen somit direkt auf den Bandtrockner, mit dem ihnen vor dem eigentlichen Pressen zu Westerwälder Holzpellets noch Feuchtigkeit entzogen wird?

Daniel: Genau richtig. Wir machen also mit den Sägenebenprodukten nichts anderes als bisher, es ist derselbe Zweck, die Nutzung für hochwertige Pellets. Aber wir lernen dazu und wollen immer optimieren, und künftig ist die Spänenutzung eben optimiert.

Würde man aus den Sägenebenprodukten von Laubholz eigentlich genauso Pellets machen können?

Daniel: Ja, kann man, aber Laubhölzer sind gänzlich anders anzupacken als unsere Nadelhölzer.

Was unterscheidet sich?

Daniel: Nun, etwa wie man die Presskanäle in den Matrizen gestaltet, durch die die Späne zu Pellets gepresst werden: Wie lang sind die? Wie laufen sie konisch zu? Es gibt quasi für jede Holzart eigenes Know-How, das ist ein richtiges Handwerk für sich!

Knapper Zeitplan: Noch ist nicht zu erkennen, das auf diesem Fundament bald schon der Bandsägewagen laufen wird.

Noch einmal: Aber möglich wäre es, aus den Laubhölzern Pellets zu machen?

Daniel: Kein Problem! Es taucht dabei oft die Frage auf, welcher Pellet einen höheren Heizwert hat: der aus Nadelholz oder der aus Hartholz?

Und?

Daniel: Es ist in der Tat so, dass wir die Dichte des gepressten Materials im Pellet durch den Pressvorgang selbst bestimmen. Und damit den Heizwert, deswegen sind wir eigentlich neutral bei diesem Vergleich. Sprich: Für den WWP-Kunden ist es also egal, aus welchem Material seine Holzpellets sind, sie haben später immer dieselbe Qualität und dieselben Eigenschaften beim Heizen. Man hat halt bisher einfach Nadelholz verwendet. Auch deswegen, weil wir bis jetzt sehr viel Schnittholz für die Verpackungsindustrie liefern. Und die möchte Nadelholz haben, denn in ein Eichen-Brett einen Nagel einzuschlagen, geht nicht so leicht… (schmunzelt)

Und deswegen werden Nadelhölzer weiter das Gros im WWP-Sägewerk ausmachen?

Daniel: Richtig, doch wenn im Wald mal eine Reihe Buche oder Ahorn dazwischen steht, können wir die halt ebenfalls mitnehmen. Die schneiden wir dann allerdings nicht zu Brettern für die Verpackungsindustrie, sondern daraus werden Bohlen gemacht – zur Weiterverarbeitung in Schreinereien, die dann einfach Bohlen bei uns ordern und nicht einzelne Bretter.

Eben haben wir noch die zweite derzeitige Baustelle angesprochen: Sie ist gleichermaßen wegen der neuen Sägelinie erforderlich?

Jan-Philipp: Ja, um den Rundholzsortierplatz als Lagerfläche auszuweiten. Es ist ja so: Bedingt durch den Anbau am Sägewerk verlieren wir an der Stelle eine gewisse Fläche an unserem bestehenden Platz und müssen Holzpolter verlegen. Denn obwohl wir für die Bandsäge fast gar nicht mehr vorsortieren müssen – außer in der Länge –, brauchen wir einen gewissen Vorrat, da wir kein „Online-Sägewerk“ sind und das Holz, das gerade vom Lkw kommt, nicht direkt schneiden können. Bei der bestehenden Sägelinie geht das sowieso nicht.

Warum nicht?

Jan-Philipp: Da wird erst sortiert nach Qualität, Stärke und Länge des Rundholzes. Das ist mit der Bandsäge so nicht mehr notwendig. Da können wir, wenn wir zum Beispiel im einen Moment 300 Millimeter als Mittendurchmesser schneiden, im nächsten 900 schneiden oder auch 1.000 – das ist ganz egal.

Wie funktioniert das? Muss der Bediener die Säge auf jeden Stamm neu einstellen?

Täglich gibt es auf den Baustellen neuen Abstimmungsbedarf für die beiden WWP-Mitarbeiter.

Jan-Philipp: Nein! Das ist ein interessanter Punkt, den du ansprichst: Wir haben in eine 3-D-Eingangsmessung im Werk investiert und eine Wiedererkennung auf dem Bandsäge-Wagen. In einem Zwischenschritt passiert eine automatische Berechnung. Dabei legt der Computer ein mögliches Schnittbild in den jeweiligen Stamm hinein, visualisiert es dem Bediener, und die Säge schneidet es vollautomatisch aus dem Stamm. Der Mitarbeiter muss nichts machen, außer zu bestätigen, dass der Stamm richtig eingespannt ist. Der Bediener wird mit der neuen Technik also auch stark entlastet.

Daniel: Somit erhalten wir eine ideale Schnittholzausbeute aus einem Stamm heraus. Was im Sinne der Nachhaltigkeit natürlich vernünftig ist.

Bleibt nur noch eine Frage zum Schluss: Wann wird das alles fertig sein? (Daniel und Jan-Philipp lachen)

Daniel: Im Dezember wird das erste Holz gesägt. Das ist unser Ziel. Aber das ist jetzt alles sehr stramm getaktet bis dahin.

Jan-Philipp: Wir erwarten beinahe im Wochentakt Teile für die neue Linie.

Daniel: Genau. Schon in einer Woche steht idealerweise eine neue Halle – von der du heute noch gar nichts siehst. Das ist schon alles wirklich krass! Doch letztlich dient diese ganze Mühe dazu, das Thema Energiewende und unseren sinnvollen Umgang mit einem natürlichen und zugleich dem einzig nachwachsenden Rohstoff weiter voranzubringen, wofür unser Unternehmen seit jeher steht.

Sonne für die Solarzellen – und Abels‘ Tomaten

„Ich mag am liebsten Tomaten“, sagt Christoph Abels und schwärmt von deren unvergleichlichem Geschmack, wenn sie aus dem eigenen Garten stammten. Den habe halt kein Supermarkt-Gemüse. „Die hier könnten allerdings noch etwas Sonne vertragen“, fügt seine Frau Angelika an, während sie die noch eher kleinen grünen Früchte mustert. Die Tomatenpflanzen ragen vor einer massiven Holzwand empor, die aus Polarkiefer gefertigt wurde – so wie das ganze sehenswerte Haus der Abel‘ in Stein-Wingert. Das eigentlich Bemerkenswerte sind hier jedoch nicht die kräftigen Tomatenpflanzen, sondern das Dach des Gebäudes. Das leuchtet gerade wunderbar gelb.

Jedes Jahr sehe das Dach anders aus, beschreiben Christoph und Angelika Abels. Auch ganz in Mohnrot sei es schon gehüllt gewesen.

„Das war eine tolle Erfahrung, es ging völlig unkompliziert. Innerhalb weniger Tage hatten wir das Geld auf dem Konto“, lobt Christoph Abels. Das Geld, von dem der Hausherr spricht, ist eine Förderung gewesen, mit der GSL, das „Grüner Strom Label“ (siehe Kasten) eine Photovoltaikanlage finanziell unterstützt hat, die das Ehepaar in Stein-Wingert auf dem Dach seines Holzhauses im vergangenen Jahr montieren ließ.

„MANN Naturenergie“ ist ein GSL-Partner der ersten Stunde und vermittelte den Zuschuss für die PV-Anlage. Denn bei dem Westerwälder Energieversorger sind die Abels‘ seit einigen Jahren Stromkunden, haben den Tarif „MANN Cent“ gewählt. Bewusst, wie sie herausstellen. Dieser ist vom unabhängigen Ökolabel GSL wiederholt zertifiziert worden. Dadurch wird nicht nur echter Ökostrom garantiert, sondern ein Teil des Verbrauchspreises für den Ausbau der erneuerbaren Energien abgezweigt. So wie im Beispiel der Förderung der Solaranlage von Christoph und Angelika Abels, die aus eben diesem GSL-Topf stammt.

Christoph und Angelika Abels haben ihr begrüntes Holzhaus selbst geplant und gezeichnet. Sie bewohnen das 100 Quadratmeter große Erdgeschoss, während die Räumlichkeiten in der ersten Etage nach dem Auszug der erwachsenen Töchter für Gäste hergerichtet wurden. Fotos: Schmalenbach

Allerdings benötigen die Hausbesitzer nur sehr wenig zugekauften „MANN Strom“, sind so gesehen also „schlechte“ MANN- Kunden. Denn die PV-Anlage auf dem Polarkiefer-Haus leistet 9,6 Kilowatt. Ein schon recht ordentlich dimensionierter Speicher kann 8,8 Kilowattstunden der selbsterzeugten elektrischen Energie für Momente aufbewahren, in denen die Sonne nicht scheint. So sind Abels‘ im laufenden Jahr bereits seit Februar autark, haben seither keinen „MANN Strom“ mehr verbraucht. „Obwohl 2024 bisher kein gutes Sonnenjahr ist, kommen wir gut zurecht“, betont Christoph Abels.

Während der gebürtig aus dem Hachenburger Stadtteil Altstadt Stammende das schildert, schwirren über seinem Kopf allerhand Insekten auf den insgesamt 240 Quadratmeter großen Dachflächen herum, landen ein paar Meisen darauf, hüpfen Rotschwänzchen und Kleiber umher. Unzählige Färberkamillen hüllen das Dach in tiefes Gelb. Einige Schnittlauchhalme strecken sich dem Himmel über der Kroppacher Schweiz entgegen, Johanniskraut schaukelt im Westerwälder Sommerwind, Dutzende Karthäusernelken lassen ihr sattes Pink leuchten. Denn auf dem Holzhaus wurde eine Dachbegrünung angelegt – seinerzeit eines der ersten Projekte dieser Art im ganzen Westerwald.

Es wächst wahrlich eine Menge auf dem Haus, dort oben herrscht Leben. Bei Regen füllt das Gründach zudem eine Zisterne, die die Abels‘ ebenfalls besitzen und aus der beispielsweise die Toilettenspülungen im Haus umweltfreundlich gespeist werden.

„Die hier haben sich vom Dach aus selbst ausgesät“, ruft Angelika Abels herüber und deutet auf einige Karthäusernelken, die es in die Beete des sehenswerten und von ihr liebevoll gepflegten Gartens geschafft haben. „Genauso wie der Sandthymian hier, der ist auch vom Dach.“

Diese Karthäusernelken haben es vom Dach ins Beet geschafft.

1.200 Quadratmeter misst das Grundstück, das Christoph und Angelika Abels für ihr Haus in Stein-Wingert gekauft haben. Der Garten und geschmackvoll gestaltete Terrassen nehmen einen großen Teil davon ein. Der Garten besteht indessen nicht allein aus herrlichen Blumenbeeten, sondern dient ebenso als Nutzgarten. Und selbst zwischen den vielen Blumen findet man einiges zum Abpflücken und Essen. „So wie diese Erdbeeren hier. Die habe ich in diesem Jahr einfach einmal dazwischen gesetzt“, schmunzelt Angelika Abels und zupft einige rote Früchte ab.

Angelika Abels pflückt sich einige Erdbeeren, die zwischen den Blumen wachsen.

Im Jahr 2000 wurde das Haus gebaut. Im Jahr zuvor reisten Abels‘ nach Norwegen (die in Stein-Wingert verbaute Polarkiefer stammt aus Finnland), um sich Holzhäuser anzusehen. Dabei hatte das Paar damals bereits ein Hausprojekt hinter sich, als es, nach anderen Stationen auf dem Lebensweg, 1984 wieder zurückkehrte in den heimischen Westerwald und in Bölsberg ein altes Bauernhaus erwarb. Und es aufwändig und mit viel eigener Arbeit herrichtete.

„Ich mag Holz einfach und arbeite auch gerne damit“, erzählt Christoph Abels. Er ist gelernter Krankenpfleger, inzwischen Rentner. Doch besonders in der Zeit, in der er mit Frau und zwei heute 43 und 41 Jahre alten Töchtern in Bölsberg lebte, da habe er viel über sein Lieblingsmaterial gelernt, sich unter Anleitung von Profi-Handwerkern einiges angeeignet. „Und als wir das Bauernhaus 15 Jahre lang saniert hatten, da sagte er: ‚Jetzt will ich mal ein neues Haus‘“, lacht Angelika Abels. Den passenden Bauplatz dafür entdeckten sie und ihr Mann bei einem Spaziergang in Stein-Wingert.

Dass das neue Haus erst im vergangenen Jahr eine Photovoltaikanlage erhalten habe, sei der Tatsache geschuldet, dass sich lange Zeit kein Handwerksbetrieb getraut habe, eine solche auf ein Gründach zu bauen. „Sonst hätten wir PV schon vor 15 Jahren bekommen“, erklärt Christoph Abels, der hinzufügt, dass er und seine Frau aus Familien stammten, die schon immer sehr naturverbunden gewesen seien.

„Wir fanden auch das in einem Holzhaus sommers wie winters optimale Raumklima gut. Und es ist von Grund auf eine biologische Sache, mit unbehandeltem Innenholz“, führt Angelika Abels weitere Gründe an, warum sie sich für ein Holzhaus und das Gründach entschieden hätten. Im Winter werde Wärme gut gehalten, im Sommer bleibe es selbst unter den Dachschrägen angenehm kühl. Die Dachbegrünung sei dabei eine zusätzliche Isolierschicht. Und außerdem, unterstreicht die Hausherrin, gebe man mit der Dachbegrünung der Natur eine wertvolle Fläche zurück, die jedes Haus für seine Grundfläche nun einmal „verbraucht“.

Nicht alle in Stein-Wingert fanden die Idee der Zugezogenen von Anfang an gut, ein ungewöhnliches, auffälliges und irgendwie „buntes“ Gebäude im Ort zu errichten. „Nein, manche wussten nicht gleich, was sie davon halten sollten, dass wir hier ein solches Vorhaben mitbrachten“, zwinkern Abels‘. „Doch später waren alle begeistert, einfach, weil es toll aussieht“, berichtet Angelika Abels. Inzwischen sei es nichts Ungewöhnliches mehr, dass in Sichtweite vorbeilaufende Wanderer zum Fotografieren des Objektes stehenblieben. „Die ersten Jahre war das hier fast ein Wallfahrtsort“, lacht Christoph Abels.

Der Himmel reißt plötzlich auf, die Sonne kommt heraus, „knallt“ sommerlich-heiß auf die Große Nister unten im alten Ortskern von Stein-Wingert. Gleißend funkelt der Fluss. Viele fleißige Hummeln nutzen das schöne Wetter und scheinen noch eifriger als zuvor von Färberkamille-Blüte zu Färberkamille-Blüte über Abels‘ Gründach zu summen. Und die Photovoltaik-Module nebenan produ- zieren jetzt maximal Strom für den Speicher. Auch die Tomatenpflanzen bekommen viele Sonnenstrahlen ab – gewiss wird Christoph Abels den Geschmack seines Lieblingsgemüses bald schon genießen können. Und sich unterdessen beim Blick aufs mit einer entsprechenden App ausgestattete Smartphone darüber freuen, wie viele Kilowattstunden „sauberen“ Ökostrom er und seine Frau mit dem kleinen Kraftwerk auf dem gelb leuchtenden Gründach in diesem Sommer selbst erzeugt haben.

Uwe Schmalenbach

Ein wunderbares Gefühl: Lucy hat sich getraut

Vor einer Woche ist Lucas Benten noch auf der olympischen Distanz beim „Löwentriathlon“ in Freilingen gestartet, einem „richtigen“ Triathlon. Doch heute macht er beinahe einen deutlich „kaputteren“ Eindruck – obwohl nicht einmal eine Zeitnahme stattfindet. Benten ist eines von vier Mitgliedern des von „MANN Naturenergie“ gesponsorten „MANNschaft e. V.“, die zum „1. integrativen Triathlon“ in Hausen gekommen sind. Um jenen zu helfen, die ihn nicht alleine bewältigen können. Gerade geht er auf die Radstrecke des Wettbewerbs – allerdings mit einem besonderen Fahrrad. Und zu zweit.

Lucas Benten (rechts) von der „MANNschaft“ hilft einem der Teilnehmer, die alleine nicht Rad fahren können, diese Disziplin dennoch zu absolvieren. Fotos: Schmalenbach

„Ich glaube, heute ist es hier für fast jeden Teilnehmer eine echte Herausforderung gewesen – aber es hat eigentlich jeder sehr gut hinbekommen“, wird Benten am Ende eines herrlich fröhlichen, bunten Vormittags sagen. Denn der integrative Triathlon im und um das „Wiedtalbad“ in Hausen, zu dem der „Integrative Sportverein Heinrich-Haus“ eingeladen hat, will genau das: verbinden, Spaß an der Bewegung wecken und erhalten, Menschen mit ganz unterschiedlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten und Fitnessleveln einfach ein positives Erlebnis ermöglichen und dabei Vielfalt und Miteinander fördern.

Gemeinschaft und positive Erfahrungen vom Aufwärmen bis zur Siegerehrung für alle – unabhängig vom Fitnesslevel.

„Sport verbindet – gemeinsam ans Ziel“ ist das Motto, unter dem Menschen mit und ohne Behinderungen gemeinsam an diesem Ereignis teilnehmen. Wer eine Pause braucht, nimmt sie sich – kein Problem, anders als sonst in unserer leistungsorientierten Konsumgesellschaft.

Gunnar Clemens arbeitet beim „Heinrich-Haus“, das in Neuwied, Bendorf-Sayn, Höhn, Kettig, Koblenz und St. Katharinen rund 2.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene begleitet und fördert. Die gemeinnützige GmbH gehört wiederum zur Gruppe der „Josefs-Gesellschaft“. Das katholische Unternehmen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft beschäftigt nach eigener Darstellung mehr als 10.000 Mitarbeiter und ist Träger von 38 Beteiligungsgesellschaften für Menschen mit Behinderungen, Senioreneinrichtungen und Krankenhäusern.

Darunter die Werkstätten für behinderte Menschen in St. Katharinen. Clemens ist dort Werkstattleiter – und in der Freizeit ebenso Mitglied der „MANNschaft“ wie Lucas Benten. Der Hobby-Triathlet hatte die Idee zum integrativen Wettbewerb in Hausen. Er berichtet, dass man erst acht Wochen zuvor in die finale Vorbereitung des Tages eingetreten sei. „Und wir haben gehofft: vielleicht kommen 60, 70 Teilnehmer – und jetzt haben wir stolze 150 hier! Das ist total überwältigend“, strahlt Clemens.

Wie bei jedem richtigen Triathlon geht es auch bei der integrativen Veranstaltung zuerst ins Wasser.

Die 150 Sportler sind bereits während des Aufwärmens zu Musik wahrlich mit Feuereifer bei der Sache. Gestartet wird anschließend in sechs Gruppen, die erste ist gerade am Schwimmbecken: 50 Meter sollen zurückgelegt werden, also zwei Bahnen in dem Freibad im Wiedtal, das aus diesem Anlass einen ganzen Tag lang für die Öffentlichkeit geschlossen ist. Aber wer weniger schafft, sich unterwegs mal am Beckenrand festhalten muss oder eine Schwimmhilfe benötigt, soll diese Disziplin genauso absolvieren dürfen.

Wie begeistert die jungen Sportler ins Wasser hüpfen! Vom ersten Zug an herrscht eine unglaublich fröhliche, leichte Stimmung am und im Becken, wiewohl hier zum Teil Menschen Meter um Meter im Wasser zurücklegen, in deren Alltag aus Sicht Nichtbehinderter manches eher schwer sein muss.

Toll! Auch mit einem reduzierten Sehvermögen geht diese Aktive auf die Strecke – und zeigt, was trotz einer solchen Einschränkung in ihr steckt!

Gekommen sind Schüler der Wilhelm-Albrecht-Schule aus Höhn, in der die ganzheitliche und motorische Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung im Vordergrund steht. Ebenso macht die Grundschule Kroppacher Schweiz mit, die in Kroppach ihren Sitz hat. Schüler, die sonderpädagogische Förderung im Bereich der körperlichen sowie motorischen Entwicklung benötigen und die Christiane-Herzog-Schule in Neuwied-Engers und Bendorf-Sayn besuchen, stehen gleichermaßen in Hausen am Start. Ebenso Sportler aus der Werkstatt für behinderte Menschen in Neuwied-Engers. Aktive der zum „Heinrich-Haus“ gehörenden „mittelrhein Logistik“ und der Werkstatt St. Katharinen sind zudem dabei. Auch ist die dortige Grundschule im „Wiedtalbad“ vertreten – mit über 30 Kindern!

Die Räder stehen nach dem Laufen bereit. Wer kein eigenes Rad hat, steigt aufs Leihfahrrad.

Aus Asbach sind Schüler der Albert-Schweitzer-Schule angereist. Sie seien gekommen, „weil wir das eine super Aktion finden“, schildert Dirk Schneider-Wüst, Lehrer in Asbach. Die Einrichtung ist eine „Förderschule Lernen“ und mit zwölf Aktiven zwischen 13 und 15 Jahren am Triathlon beteiligt.

Zeit spielt keine Rolle – es geht nur um Spaß und darum, dass sich alle im Ziel Triathleten nennen können.

„Wir wollten das Event auf jeden Fall unterstützen, auch wenn dazu ein gewisser organisatorischer Aufwand nötig ist: beispielsweise, wie die Fahrräder der Kinder hier her kommen“, sagt Schneider-Wüst, der vor allem im Englisch- und Werkunterricht tätig ist. „Bewegung ist ein Thema in der heutigen Medien- und Handyzeit. Und wenn man die Kinder zur Bewegung animieren kann, dann nehmen wir jede Gelegenheit wahr – unabhängig von der körperlichen Leistungsfähigkeit.“ Die abwechslungsreiche Strecke halte er für attraktiv für die Schüler, ergänzt der Pädagoge.

Der größte Unterschied zu einem „normalen“ Triathlon? „Heute ist es komplett entschleunigt!“, beschreibt Lucas Benten. „Wir von der ‚MANNschaft‘ unterstützen die, die die Radstrecke nicht alleine fahren können. Man merkt an jeder Stelle, dass der Fokus nicht auf Zeit liegt, sondern auf Spaß. In ‚normalen‘ Wettkämpfen, an denen wir sonst teilnehmen, ist alles total ehrgeizig. Verbissen versuchen alle, in der kürzesten Zeit ins Ziel zu kommen. Heute geht es darum, sich zu freuen und einfach irgendwie die Distanz zu überwinden.“

Mit dem Rad geht es einen Kilometer weit weg bis kurz vor Niederbreitbach und zurück nach Hausen.

Die beträgt 50 Meter beim Schwimmen, zweimal 500 Meter auf der Laufstrecke und zwei Kilometer per Fahrrad. Oder eben mit dem Rollstuhl, E-Scooter oder Dreirad. Auf dem hat gerade Christian Geimer Platz genommen, um mit einem jungen Mann auf die Distanz zu gehen, der aufgrund seiner Beeinträchtigung nicht in der Lage ist, mit einem „normalen“ Fahrrad das Gleichgewicht zu halten und einfach alleine loszustrampeln.

Geimer ist ein sehr erfolgreicher Triathlet, hat das „MANNschaft“-Trikot bereits bis zur Weltmeisterschaft der Triathleten auf der Langdistanz getragen. Er arbeitet im Möbelhaus Hüsch, das Hauptsponsor der Veranstaltung ist (auch der Rotary Club Remagen-Sinzig sowie die Raiffeisenbank Neustadt und die Sparkasse Neuwied haben sich eingebracht), so dass die Teilnahme für alle komplett kostenlos und am Ende auch für Medaillen und T-Shirts für alle „Finisher“ gesorgt ist.

Einen Kilometer von der Wechselzone Laufen-Radfahren entfernt liegt kurz vor Niederbreitbach der Wendepunkt. Bis dahin muss Christian Geimer seinen Passagier befördern – und natürlich wieder zurück. Darum sind die Triathleten der „MANNschaft“, wiewohl sie sportliche Anstrengung doch gewohnt sind, am Ende durchaus erschöpft: Sie treten zumeist für zwei in die Pedalen und müssen nicht nur das eigene, sondern ebenso das Gewicht des schweren Untersatzes und des Triathleten auf dem Sitz neben sich vorantreiben.

Aber „auf jeden Fall“ wäre er erneut dabei, wenn abermals eine solche Veranstaltung stattfinden würde, betont Lucas Benten sofort. Er hat sich, wie die anderen „MANNschaftler“, freiwillig gemeldet, um denen zu helfen, die dieser Hilfe bedürfen. Dafür hat er sogar einen Tag Urlaub im Betrieb genommen.

Hat sich freigenommen und wäre jederzeit erneut dabei: Lucas Benten, sonst selbst Triathlet der „MANNschaft“, ist einer von vier freiwilligen Helfern des Vereins.

„Ich finde, es ist eine gute Sache hier. Das Integrative, das Zusammenführen von Kindern aus ‚normalen‘ Grundschulen mit Einrichtungen für Menschen mit Beeinträchtigungen gefällt mir super“, unterstreicht Benten. „Ich freue mich sowieso über jeden, der irgendwie Sport macht – egal, was er macht! Ich freue mich darüber, wenn sich jemand bewegt – selbst wenn er nur spazieren geht. Und wenn man heute nur in zwei Teilnehmern die Begeisterung geweckt hat, nicht nur ins Wasser zu gehen, um sich abzukühlen, sondern auch mal zur anderen Seite zu schwimmen, das Gefühl, anzukommen zu erleben, ist das doch eine super Sache, oder?“

Einige bewältigen den Triathlon als Staffel: eine Teilnehmerin schwimmt, eine läuft, eine radelt. So macht es die Christiane-Herzog-Schule, erklärt Maria Marquardt: „Wir wurden zur Veranstaltung eingeladen – und haben schnell ‚ja‘ gesagt. Bei uns wird Sport eh sehr unterstützt, und wir sind vor allem wegen der Freude gekommen, die wir allesamt daran haben“, so die Erzieherin der Schule, die insgesamt drei Standorte in Engers und Sayn hat. „Ankommen war das Ziel für alle von uns.“

Marquardt erzählt, dass einmal pro Woche eine Stufe der Christiane-Herzog-Schule ins „Wiedtalbad“ fahre, nachdem das eigene vor vier Jahren geschlossen worden sei (siehe auch „Eine wertvolle Erfahrung: alle können etwas“). Der Veranstaltungsort des Triathlons ist diesen Schülern also vertraut.

Johanna, Lucy, Selina und Lennox (von links) von der Christiane-Herzog-Schule zeigen zu Recht stolz ihre Medaillen.

Lucy hat dort inzwischen die Ziellinien passiert, zeigt stolz ihre Urkunde und ihre Medaille. „Neee“, antwortet sie auf die Frage, ob der Triathlon für sie sehr anstrengend gewesen sei. Was ihr am besten gefallen habe? „Schwimmen!“, entfährt es der jungen Sportlerin sofort. „Ja, ich mag gerne Schwimmen“, fügt sie an. Obwohl, das gesteht sie lachend, ein bisschen kalt sei das Wasser schon gewesen… „Aber ich habe mich getraut“, strahlt Lucy über das ganze Gesicht. Das sei ein wunderbares Gefühl.

Uwe Schmalenbach

Eine wertvolle Erfahrung: alle können etwas

Rund 400 Schüler zum Beispiel aus Diez, von Ahrweiler bis Altenkirchen besuchen die Christiane-Herzog-Schule. Sie nimmt am „1. integrativen Triathlon“ in Hausen (siehe „Ein wunderbares Gefühl: Lucy hat sich getraut“) mit zwölf Schülern teil, die vier Staffeln bilden, so dass jedes Kind nur eine der drei Disziplinen des Sport-Events bewältigen muss. Michael Dauer ist Sportlehrer an der Schule, feuert die zwölf an Becken- und Streckenrand an und schildert im Interview mit Uwe Schmalenbach, warum die Teilnahme eine wertvolle Erfahrung ist.

Michael Dauer erzählt, dass schon die Fahrt zum „Wiedtalbad“ für viele ein Highlight gewesen sei. „Dann noch die tollen Medaillen, die T-Shirts – super!“

Sport ist bei Ihnen im Schulalltag ein ganz wichtiges Thema?

Ja, wir sind eine Förderschule mit dem Schwerpunkt motorische Entwicklung – dann steht natürlich der Sport im Vordergrund.

Unsere mehrheitlich vorherrschende Vorstellung von Sport hat allerdings sehr viel mit einem zuweilen verbissenen Leistungsgedanken zu tun. Sport ist außerdem in allen Bereichen, selbst bei „Amateuren“, sehr kommerzialisiert – siehe Fußball-Europameisterschaft in Deutschland. Wenn man in Ihrem Bereich arbeitet, liegt das Augenmerk vermutlich auf anderen Aspekten, oder?

Ja, es gibt unterschiedliche Beeinträchtigungen. Das bedeutet, der eine kann mit dem Rad fahren, wenn er keine Gleichgewichtsprobleme hat. Ein anderer kann das eben nicht oder nicht eine weite Strecke laufen. Aber alle können etwas – und vor allem können eigentlich fast alle schwimmen lernen. Das Element Wasser ist ganz toll, und im Wasser sind wir alle gleich – die Rollstuhlfahrer kommen beim Schwimmen raus aus ihrem Rollstuhl.

Sie sind an der Schule federführend fürs Schwimmen zuständig. Aber beim Unterricht gibt es ein Problem, oder?

Wir haben seit vier Jahren kein schuleigenes Schwimmbad mehr. Es war kurz vor der Pandemie kaputt, und jetzt warten wir auf eine Antwort auf die Frage, wo Gelder herkommen können, um wieder eines aufbauen zu können. Denn es ist ganz wichtig für unsere Kinder, schwimmen zu lernen und mit dem Element Wasser umzugehen.

Was ist das Wesentliche dabei?

Das vermittelt natürlich ein ganz anderes Körpergefühl. Ich komme in eine andere Lage hinein, habe eine andere Körperwahrnehmung, es geht gegen den Wasserwiderstand. Und es steckt so viel Gesundheit im Schwimmsport.

Egal, wer wie viel laufen, schwimmen oder fahren kann: Jeder kann etwas – und bekommt am Ende die Medaille.

Demnach ist der integrative Triathlon hier in Hausen eine gute Sache, da das Schwimmen eine der Disziplinen ist?

Ja, definitiv, definitiv! Wir hatten zwar eine kurze Vorbereitungsphase, haben erst vor den Pfingstferien Bescheid bekommen. Da mussten wir natürlich erst einmal gucken, wen aus der Schülerschaft wir mitnehmen können. Aber das hat gut gepasst – wir haben den Triathlon einfach als Staffel organisiert, so dass einer schwimmt, ein anderer fährt, einer läuft. Wenn es nächstes Jahr eine Neuauflage gibt, werden unsere Vorbereitungen noch etwas anders sein und wir hoffen, ebenso schwerst mehrfach beeinträchtigte Kinder mitbringen zu können, die dann vielleicht in Begleitung schwimmen oder die Strecke geschoben werden, die gefahren werden muss.

Also eine Weiterentwicklung der Unterstützung, wie es sie heute schon durch die „MANNschaft“ mit dem Dreirad gab?

Genau, das geht in die Richtung.

Ganz offen und ehrlich gegen Rechts und Braun

Allzu oft sieht man Markus Mann beileibe nicht mit umgeschlagenen Hosenbeinen umherlaufen. Dass er heute jedoch mit hochgekrempelten Jeans im „Europahaus“ in Bad Marienberg steht, ist den Socken geschuldet, die er trägt: sie haben die Optik der EU-Fahne und sollen deutlich zu erkennen sein – ein Signal pro Europa, für Vielfalt. Und im Vorfeld der Wahlen zum Europäischen Parlament ein Bekenntnis zur Demokratie. Genau ein solches wollen auch die anderen Westerwälder abgeben, die ebenso in das „Europahaus“ gekommen sind. Und zwar mit einem im wahrsten Wortsinn bunten Zeichen.

Zwischendurch bildet sich an dem Stehtisch im Foyer des „Europahauses“ eine richtige Schlange. Auf dem Tisch stehen zwei Dutzend Farbflaschen, und etliche Menschen der Region wollen mit den Farben ihre Hand einpinseln, um anschließend einen Handabdruck nebst Unterschrift auf der großen Leinwand zu hinterlassen. „MANN Naturenergie“ hat die Aktion im Rahmen des „Demokratiesommers 2024“ organisiert und dazu eingeladen.

Mit dieser Initiative wollen sich die Verbandsgemeinde und die Stadt Bad Marienberg gegen die zunehmende Demokratiefeindlichkeit stellen. Die Ideen, die unterschiedliche Akteure in diesem Rahmen umsetzen, reichen von einem „kulinarischen Familiennachmittag“ der „Kita Clowngesicht“ bis zum vom Institut für Kino und Filmkultur unterstützten, medienpädagogischen Angebot „Die Lügen der Nazis“ im Evangelischen Gymnasium der Stadt.

Da dürfen es auch mal Socken im EU-Design sein…

Markus Mann war in seiner Funktion als Vorsitzender des Industrieausschusses der Industrie- und Handelskammer Koblenz vor kurzem Teilnehmer einer Delegationsreise nach Brüssel und dort Diskussionsgast bei EU-Institutionen und der rheinland-pfälzischen Landesvertretung. „Die Bedeutung der Demokratie wurde den teilnehmenden Unternehmensvertretern dabei abermals extrem bewusst“, erzählt Mann von seinen Eindrücken in Brüssel. „Nach wie vor ist die EU ein großes Friedensprojekt, und wir blicken auf fast 80 Jahre Frieden in Zentraleuropa zurück. Wir alle haben ein Privileg, in solch glücklichen Zeiten arbeiten und wirken zu dürfen. Damit Europa als demokratisches und wirtschaftlich erfolgreiches Friedensprojekt weiterwirken kann, braucht es die Mithilfe der Bürger Europas“, betont Mann. „Wir dürfen nicht als schweigende und untätige Mehrheit eine Minderheit gewähren lassen, die am Projekt Europa wenig Gutes lässt und an den demokratischen Grundsätzen rüttelt.“

So entstand in dem Langenbacher Unternehmer der Gedanke, Vertreter der Politik und Wirtschaft in der Verbandsgemeinde Bad Marienberg einzuladen und gemeinsam mit ihnen im „Europahaus“ auf die am kommenden Wochenende bevorstehende Europawahl hinzuweisen. Und herauszustellen, dass dabei durch die Wahlentscheidung demokratische Kräfte gestärkt werden müssen, deren große Bedeutung für Frieden und Zusammenarbeit nicht übersehen werden darf.

Da das Logo des „Demokratiesommers 2024“ eine bunte Hand zeigt, war es naheliegend, die Westerwälder Unterstützer ebenfalls mit bunten Händen auf einem großen Banner sichtbar zu machen.

„Ich glaube, dass es wichtig ist, dass wir zeigen, dass wir hier gemeinsam für Demokratie und Vielfalt einstehen und die Initiatoren, die die Idee gehabt haben zum ‚Demokratiesommer‘ hier in Bad Marienberg, so kurz vor der Europawahl tatkräftig unterstützen“, erläutert Andreas Görg, Vorstand der Sparkasse Westerwald-Sieg, warum er dem Aufruf gefolgt ist.

„Wir sind Biobauern – und wir sind für ‚bunt‘ und Vielfalt und sind gegen Rechts und gegen ‚Braun‘!“, betonen Andreas und Annette Aller. Fotos: Bakic

„Ich bin ganz gerne gekommen, nachdem die Familie Mann uns zur Initiative eingeladen hat. Wir kommen aus Hachenburg und würden hier gerne gemeinsam mit allen anderen ein deutliches Zeichen für die Demokratie setzen!“, schildert Marco Dörner, der Erste Beigeordnete der benachbarten Verbandgemeinde Hachenburg seine Beweggründe für die Teilnahme.

Für Sabine Willwacher ist der Einsatz für die Demokratie „ein wichtiges Thema. Gerade in der heutigen Zeit sollte man vieles dafür tun, dass uns die Demokratie hier in Deutschland und weltweit erhalten bleibt. Und ebenso Toleranz und Vielfalt!“, so die Stadtbürgermeisterin von Bad Marienberg. „Denn in dieser Welt leben wir, und das Leben ist auf der ganzen Welt so vielfältig und bunt, deswegen bin ich heute hier, und deswegen finden auch die vielen anderen Veranstaltungen im Zeichen des ‚Demokratiesommers 2024‘ statt. Wir wollen ein Zeichen setzen, dass nicht die anderen in der Mehrheit sind, sondern wir mehr sind! Und ebenso, dass unser Weg, die Demokratie, der bessere Weg und sie darum eine wichtige Sache für alle Menschen auf der Welt ist.“

Auch Marco Dörner, Erster Beigeordneter der Verbandsgemeinde Hachenburg, unterschreibt neben seinem Handabdruck.

„Das Europahaus Marienberg begrüßt und unterstützt diese Aktion im Rahmen des ‚Demokratiesommers‘. Die Bildungsstätte ist seit 1951 Innovationsstandort, Ideenschmiede und Ausbildungszentrum für eine mündige und kreative europäische Bürgerschaft. Hier entstehen Begegnungsräume für die Vision von Europa – die Vision von einem Miteinander, von Kollaboration, von Respekt und Toleranz, von Vielfalt und Wohlwollen“, erklärt Nicole Stecker. Sie ist Studienleiterin des „Europahauses“.

Bad Marienbergs Stadtbürgermeisterin Sabine Willwacher findet, dass man in der heutigen Zeit vieles tun sollte, damit die Demokratie erhalten werden kann.

Dort sind auch Andreas und Annette Aller gerade dabei, sich die Handflächen mit Farbe einzustreichen. „Wir sind Biobauern – und wir sind für ‚bunt‘ und Vielfalt und sind gegen Rechts und gegen ‚Braun‘! Ganz offen und ehrlich gesagt. Demokratie zu schützen ist ganz wichtig in der jetzigen Zeit. Und es ist nicht selbstverständlich, Demokratie zu haben, deswegen kann man solche Aktionen nur mit voller Kraft unterstützen!“ Darum, so fügen die Landwirte vom „Wiesenhof“ in Maxsain an, haben sie Freude an solchen Events, bei denen man selbst Farbe bekennen kann. Was mit den bunten Handabdrücken heute sogar wörtlich passiert.

Sparkassen-Vorstand Andreas Görg (links) und Markus Mann freuen sich, dass in Bad Marienberg so viele ein Zeichen für die Demokratie setzen wollen.

„Impulse, die die eigenen Gedanken erweitern“

Es ist keine Seltenheit – im Gegenteil, es kommen häufiger Besuchergruppen nach Langenbach bei Kirburg. Ob Landfrauen, Vereine, Unternehmer: Bereitwillig gibt Markus Mann ihnen allen Auskunft über das, was er seit Anfang der 1990er-Jahre getan hat, um die Energiewende voranzubringen. Und spricht darüber, wieso die Demokratisierung und Dezentralisierung für ihn der einzig gangbare Weg in die Zukunft unserer Energieversorgung ist. Die 62 Gäste von den Stadtwerken Bonn (SWB), die sich heute angemeldet haben, sind dennoch eine besondere Gruppe.

Interessierte Zuhörer: die Besucher aus Bonn. Fotos: Schmalenbach

„Mehr als spannend! Wirklich beeindruckend, was Herr Mann da aufgebaut hat über die vielen Jahre! Und zwar ökologisch angetrieben, aber zugleich ökonomisch erfolgreich.“ So wird später beim gemeinsamen Mittagessen Philipps anerkennendes Resümee über das in Langenbach Gehörte und Gesehene lauten. Er ist wie alle heutigen Besucher bei der „Energie- und Wasserversorgung Bonn/Rhein-Sieg GmbH“ beschäftigt, in der Region bekannt als „SWB Energie und Wasser“. Bei diesem Konzernteil der „Stadtwerke Bonn GmbH“ arbeitet Philipp in der Stabsstelle „Energielösungen“.

MANN und eben diese SWB verbindet eine inzwischen mehr als 25-jährige Partnerschaft. Die Stadtwerke waren, neben der in Hachenburg ansässigen „Westerwald-Brauerei“, die ersten, die bereits 1998, direkt nach der Liberalisierung des Strommarktes, den Bezug von Ökostrom von MANN vereinbarten (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete) und damit zu einem Wegbegleiter wurden.

Seither läuft die erfolgreiche Kooperation, der Ökostrom aus dem Westerwald wird in der Großstadt am Rhein als „BonnNatur Strom“ angeboten. Dieser trägt ebenso das „Grüner Strom Label“ (GSL) wie „MANN Cent“. Das Siegel bestätigt, dass ein Teil des Entgelts direkt wieder in den Ausbau erneuerbarer Energien investiert wird.

Größter Kunde beim SWB-Ökostrom ist die Stadt Bonn mit 77 Millionen Kilowattstunden (kWh), die jährlich abgenommen werden. Damit fahren Straßenbahnen in der Bundesstadt, regeln Ampelanlagen den Verkehr oder werden Straßen und Plätze beleuchtet. Daneben wählen viele ortsansässige Firmen „BonnNatur Strom“ und natürlich ebenso Privathaushalte.

„Alle sind so beeindruckt“, sagt Robert Landen.

Bei den „SWB Energie und Wasser“, die sie alle versorgen, findet vierteljährlich ein „Vertriebsdialog“ statt. Dieser sei ursprünglich ins Leben gerufen worden nach einer Umfrage unter Mitarbeitern, die darin zu Protokoll gaben, sich über (interne) Entwicklungen nicht ausreichend informiert zu fühlen, erzählt Robert Landen. Der Vertriebsleiter von „SWB Energie und Wasser“ beschreibt, dass man anschließend überlegt habe, wie man Informationen besser weitertragen könnte. „Wir sind ja auch in einem Wachstumsprozess, und viele bekommen nicht mit, was die anderen im Konzern tun. Also haben wir gesagt, wir müssen ein Format finden, mit dem wir besser informieren können – und zwar nicht auf Vortragsbasis, sondern in einer Art ‚Workcafé‘.“ So sei der „Vertriebsdialog“ entstanden. Landen: „Das ist eine freiwillige Veranstaltung – mit 97 Prozent Teilnahmequote! Die Leute richten ihren Urlaub danach aus, sind total happy damit!“

Irgendwann sei zusätzlich die Idee aufgekommen, einen der vier Termine eines Jahres „on tour“ zu machen, ergänzt der Vertriebsleiter. Nach „Corona“ ging der erste entsprechende Ausflug zur „Trianel“, einer Kooperation von Stadtwerken mit Sitz in Aachen, die nach eigener Darstellung über sechs Millionen Menschen in Deutschland, den Niederlanden, Österreich und der Schweiz versorgt und bei der die SWB Teilhaber sind. „Das war total super“, blickt Landen zurück, „das hat allen gut gefallen, und es kam der Wunsch auf, so etwas erneut zu organisieren.“

2023 im Mai fuhren die Bonner daraufhin zu den „Netzwerkpartnern“. Hinter diesem eingetragenen Verein stehen über 135 Stadtwerke, regionale und überregionale Energieversorger aus ganz Deutschland, „die sich ohne Gewinnerzielungsabsicht organisiert haben, um den Herausforderungen der Energiewirtschaft gemeinsam zu begegnen“, wie es auf deren Homepage heißt.

Und in diesem Jahr beim dritten „Vertriebsdialog on tour“ also die Exkursion zu „MANN Naturenergie“. „Da müssen wir unbedingt hin“, habe man gedacht, so Robert Landen. „Und nun sind wir hier – und alle sind so beeindruckt! Die Kollegen haben teilweise gesagt, dass sie sogar aufs Mittagessen verzichtet hätten, um Markus Mann weiter zuhören zu können. Wahnsinn!“

Daniel Rahn (rechts), Projektingenieur bei MANN, führt eine Gruppe durch die SEO-Sägeanlage.

Bei dem gemeinsamen Betriebsrundgang zur Rundholzsortieranlage der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP), zu deren Pelletpressen, zum Strom-Großspeicher oder den ungewöhnlicherweise vertikal an den Silos der WWP angebrachten Photovoltaikmodulen beschreibt der Energiepionier, wie er 1991 die allererste Windkraftanlage von Rheinland-Pfalz aufstellte, 1995 das Biomasse-Heizkraftwerk startete, das noch heute Energie aus Biomasse produziert. Er zeigt etliche Wallboxen, die im Gleichstrombereich sogar bis zu viermal je 300 Kilowatt (kW) bieten. Oder jene originelle, zu zwei Ladepunkten à 22 kW umgerüstete Original-Zapfsäule, an der einstmals noch Benzin in Langenbach getankt wurde. Solche Details faszinieren die Zuhörer.

Markus Mann führt aus, dass es inzwischen 47 vollelektrische Firmen-Pkw für die Mitarbeiter und sieben E-Lkw gebe. Er erklärt den Besuchern aus Bonn das selbstprogrammierte, aktive Lastmanagement, in welcher kaskadierten Reihenfolge es Verbraucher steuert oder dass „MANN Naturenergie“ und „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) am Firmensitz in Langenbach jährlich 9,5 Millionen kWh Strom verbrauchten – jedoch dort ebenso viel Strom aus Sonne, Biomasse und Wind erzeugt werde.

Sieben Kubikmeter Holzspäne werden für eine Tonne Westerwälder Holzpellets benötigt. In die Schaufel des Radladers passen elf – oder vier Mitarbeiter der SWB für ein Erinnerungsfoto vom Besuch bei MANN.

Die angereisten 62 Mitarbeiter der SWB sind dort im Vertrieb sowie dem Marketing tätig. So wie Sarah. Sie staunt, „wie vielfältig das Portfolio von ‚MANN Energie‘ tatsächlich ist. Der Einblick ist daher sehr, sehr spannend gewesen, weil mir nicht bewusst war, was ‚MANN Energie‘ alles macht.“

„Ich fand es ebenfalls sehr spannend hier. Ich habe auch viele Zahlen gehört, die ich noch nicht kannte. Und ich fand mega beeindruckend, was da auf dem, so nenne ich es jetzt mal, ‚Campus‘ in Langenbach alles umgesetzt wird, wie die einzelnen Teile und Projekte zusammenspielen“, pflichtet Peter aus dem „Vertrieb Energiedienstleistungen“ seiner Kollegin bei.

Am Ende des „Vertriebsdialogs on tour“ sind offenkundig alle angetan von dem Austausch zwischen den beiden Partnerunternehmen. „Ich bin selber in der Konzernstrategie/Konzernentwicklung bei uns. Und wir arbeiten immer wieder an Projekten, die völlig neu sind, mit denen es nur wenige Erfahrungen gibt“, schildert Amir. „Insofern hat es mich heute extrem begeistert, zu sehen, mit welchem Mut, mit welcher Vorstellungskraft und auch mit dem Wissen, dass man auch fallen und wieder aufstehen kann, hier so stark Ideen vorangebracht werden.“ Zudem habe es ihn fasziniert, dass das Bild, das man bei MANN für die Zukunft hat, in alle Themen schrittweise eingebracht, konsistent verfolgt werde „und dieser Geist auch in die Belegschaft vermittelt wird. Ich hätte Herrn Mann noch viel, viel länger zuhören können!“

Ihm sei spontan die Idee gekommen, fügt Amir abschließend noch an, in der Zukunft vielleicht einmal alle Führungskräfte der SWB nach Langenbach zu bringen. „Solche Impulse helfen, die eigenen Gedanken zu erweitern.“

Uwe Schmalenbach

Super! Blätter wie ein Herz

Alte Obstbäume und vielfältige Gemüsebeete, dichte Beerensträucher, bunte Blumen, knackige Kräuter, ein kleines Gewächshaus, ein Wildpflanzenbereich und eine Totholzhecke: Der Schulgarten der „Stöffelmaus-Schule“ ist herrlich abwechslungsreich und sensibilisiert die Kinder für einen sorgsamen Umgang mit der Natur. An Sommertagen findet der Unterricht gerne mal draußen statt unter dem Motto „Schule unterm Blätterdach“. Von diesem „grünen Klassenzimmer“ aus hat man seit kurzem einen tollen Blick auf die neue Friedenslinde.

Im kommenden Sommer spendet die Friedenslinde Schatten im Außenklassenzimmer.

Kevin Wagner vom zur MANN-Firmengruppe gehörenden Unternehmen „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) und André Zöllner von der Daadener Baumschule Hebel sind schon vor dem Beginn des Baumpflanz-Events an der „Stöffelmaus-Schule“ auf deren Gelände in Stockum-Püschen aktiv: Sie bereiten die Stelle vor, an welcher der gut fünf Meter hohe Baum gleich in die Erde gebracht werden soll. Mit einem Minibagger müht sich Zöllner, er ist Gärtner der Fachrichtung Baumschule, eine ganze Weile, ehe er alle Gesteinsbrocken aus dem Loch gehoben hat, so dass die Friedenslinde mit ihrem großen und schweren Ballen einen sicheren Halt finden kann.

Bekanntlich gibt es Kaiser-, Hexen-, Freiheits- und eben Friedenslinden. Im Westerwald kennt man sogar einen kleinen Ort namens Linden, gelegen unweit des Dreifelder Weihers. Den Lindenbaum für die Grundschule in Stockum-Püschen hat „MANN Naturenergie“ gestiftet, nachdem sich die „Stöffelmaus-Schule“ beim vom Regionalprojekt „Kräuterwind“ ausgerichteten „Wäller Gartenpreis“ beworben hatte (siehe dazu auch „Ein Schattenspender und bunte Friedenstauben”).

Gar nicht so leicht, die Friedenslinde zu bewegen…

„Heute haben wir herrliches Frühlingswetter, es ist Frühlingsanfang, außerdem Welttag des Glücks – und heute wird unsere Friedenslinde gepflanzt“, erklärt Susanne Kersten den Kindern. Die Leiterin der Grundschule im Westerwaldkreis betont, dass dieser Schulmorgen darum ein ganz besonderer Tag sei – und verknüpft ihre Ansprache direkt mit etwas Unterricht: „Eine Linde erkennt man schon von Weitem. Denn: Wie sehen ihre Blätter aus? Lukas? Abigale?“ Es folgt die richtige Antwort, die Kersten „super“ findet: „Wie ein Herz.“

Die Kinder der „Stöffelmaus-Schule“ wissen zudem um den charakteristischen Duft der Linde, stehen am Rand ihres Schulgeländes doch fünf solcher Bäume. „Und wie gut unser Honig deswegen schmeckt“, ergänzt die Schulleiterin, dabei denkt sie an die kleine Schul-Imkerei. Danach erläutert Kersten die starke Anziehungskraft der Linde auf den Menschen, die auch mit deren großer Baumkrone zusammenhänge. „Linden wurden von Menschen immer zu besonderen Anlässen gepflanzt“, erfahren die Schüler, „sie sind lebende Denkmäler und sollen immer an ganz spezielle Menschen oder Situationen erinnern.“

Susanne Kersten erzählt, dass sie sich sehr gefreut habe, als die Nachricht von der neuen Friedenslinde sie erreichte, die die „Stöffelmaus-Schule“ aufgrund der Teilnahme am „Wäller Gartenpreis“ bekommen solle: „‚Au prima‘, dachte ich, die passt wunderbar in unser Schulkonzept mit den Bienen und ebenso als Bereicherung für unser Außenklassenzimmer, wo wir noch Schatten brauchen.“

Kevin Wagner (links) und André Zöllner sorgen dafür, dass die soeben gepflanzte Friedenslinde an der „Stöffelmaus-Schule“ in Stockum-Püschen etwas unterstützenden Halt bekommt. Der Baum passt laut Schulleiterin Susanne Kersten bestens ins Konzept der Grundschule – und ist ein lebendes Denkmal.

Die neue Friedenslinde lenkt die Gedanken natürlich zugleich auf die vielen Kriegshandlungen auf der Welt. Klassenlehrerin Katalin Eichmann sagt, dass die Kinder der „Stöffelmaus-Schule“ sich mit dem Thema durchaus beschäftigten – trotz der Tatsache, dass sie noch im Grundschulalter sind: „Alleine dadurch, dass wir auch ukrainische Kinder haben.“ „Im Be-reich der Religions-, der Ethikstunden wird so etwas zudem thematisiert. Und ich denke schon, dass die Kinder dem Thema auch über die Medien ausgesetzt sind“, fügt die Schulleiterin hinzu. „In jedem Fall“ gehöre es zum schulischen Alltag, dass man mit den Kindern derlei aufgreife. „Das ist ja ohnehin unsere tägliche Aufgabe, dass wir Inhalte der Erwachsenenwelt, auch fachliche Inhalte, auf Grundschulniveau herunterbrechen, ohne die Inhalte zu verfälschen – das sollte generell über unserer Arbeit stehen“, unterstreicht Kersten, „man muss lernen, sich mit den Dingen im altersgerechten Maße auseinanderzusetzen.“

Der Pflanz-Tag ist indessen von heiterer Stimmung geprägt, gesungen wird in Stockum-Püschen so wie tags zuvor auf dem Schulhof der „Integrierten Gesamtschule Selters“, der „MANN Naturenergie“ ebenfalls eine Friedenslinde geschenkt hat. Am Ende des Events ertönt gar lauter Jubel, als Susanne Kersten – um die große Bedeutung, den wichtigen Gedanken hinter der Friedenslinde noch einmal herauszustellen –, verkündet: „Aus Anlass des heutigen, denkwürdigen Tages gibt es heute keine Hausaufgaben!“

Ein Schattenspender und bunte Friedenstauben

„Ich wünsche den Kindern und Erwachsenen in der Ukraine, in Israel und am Gaza-Streifen Frieden“: So steht es auf einer der bunten Friedenstauben. Eine ganze Menge davon – rote, blaue, grüne, welche in Pink und Violett – haben Sechstklässler der IGS, der „Integrierten Gesamtschule Selters“ noch an diesem Morgen aus Tonkarton gebastelt. Jetzt hängen sie sie in die etwa zehn Jahre alte Linde, bevor diese gleich in ein vorbereitetes Loch auf dem Schulhof gepflanzt werden wird und die Krone nicht mehr ohne Weiteres erreichbar wäre.

Schüler und Lehrer freuen sich über die symbolträchtige Pflanze auf ihrem Schulhof.

Den Baum hat „MANN Naturenergie“ gestiftet (ebenso wie jenen für die „Stöffelmaus-Schule“). „Bewusst als Friedenslinde“, wie Geschäftsführer Markus Mann betont. Er hatte sich als Jurymitglied beim „Wäller Gartenpreis“ 2022 und 2023 engagiert und die Idee, den im letztjährigen Wettbewerb erfolgreichen Schulen solche symbolträchtigen Pflanzen zu schenken.

Gar nicht so leicht, die Friedenslinde zu bewegen…

Darunter eben die IGS: Zwei Jahre in Folge (2022 und 2023) bewarb sie sich mit ihrem Schulgartenprojekt beim von der Westerwälder Regionalinitiative „Kräuterwind“ ins Leben gerufenen „Wäller Gartenpreis“ – und das siegreich: Im ersten Jahr zeichnete die Jury das Projekt bereits einmal aus. 2023 war die Konkurrenz durch üppigste Zier- und vielfältigste Naturgärten so groß, dass das Gremium befand, dass man die Beiträge von Kindergärten und Schulen eigentlich aus dem Gesamtfeld herausnehmen und fairerweise getrennt bewerten müsse. Den Fleißigen hinter drei Beiträgen, die den Juroren am besten gefielen, sagte „MANN Naturenergie“ daraufhin zu, ihnen jeweils eine große Friedenslinde fürs Schulgelände zu schenken.

Es ist allerdings nicht der erste Baum, den die Schüler in Selters erhalten: 2022 durften sie sich, ebenfalls von „MANN Naturenergie“ gesponsert, einen Obstbaum für ihren Schulgarten aussuchen; es wurde ein Apfelbaum. Er steht heute in dem 700 Quadratmeter großen Areal in Selters. Die Fläche dafür wurde den Schülern im Rahmen des Neubaus der IGS zur Verfügung gestellt.

Viele Schüler helfen mit und treten den Baum gut fest.

2019 ging es in diesem IGS-Schulgarten los. Seither wird dort unter anderem Gemüse angebaut, es wachsen Wein, Erd- und Brombeeren, Kräuter und vieles mehr. „Aber bei uns wird nicht nur angebaut, sondern auch vermittelt, warum man das macht, wie man es macht,“ erläutert Lehrer Andreas Lief, der das Projekt betreut, den didaktischen Hintergrund. Inzwischen sei es so, dass regelmäßig Jahr für Jahr die fünften Klassen im Schulgarten aktiv sind und ebenso entsprechende Arbeitsgemeinschaften. Im Wahlpflichtfach Hauswirtschaft/Soziales sei Kochen ein Bestandteil, führt Lief aus. Die genaue Ausgestaltung des Unterrichtsinhaltes sei zwar lehrerabhängig, aber eine komplette Schulküche erlaube es, das selbstgeerntete Gemüse direkt zuzubereiten. „Teilweise wird das Gemüse auch direktvermarktet, an Lehrer oder Eltern verkauft, so dass nicht nur die Produktion im Vordergrund steht, sondern es ebenso darum geht, wie man das Gemüse verwertet“, fügt Lief hinzu.

„Die Menschen haben sich schon immer gekloppt und Kriege geführt – schon immer, leider! Und erst, wenn Frieden herrscht, erkennt man dessen Wert“, beschreibt Markus Mann während der Pflanzaktion den anwesenden Schülern, was er sich bei der Friedenslinde für den Schulhof gedacht hat. „So wurde anlässlich des Endes des Krieges 1870/71 – da haben wir Deutschen uns mit den Franzosen gekloppt – an vielen Orten Linden gepflanzt“, erklärt der Energiepionier aus Langenbach bei Kirburg. „Mich haben dann damals, als ich mit der Schule einen Ausflug gemacht habe nach Daun in der Eifel, riesige Bäume beeindruckt, die dort an der Jugendherberge neben einer alten Burg standen. Die stammten aus den besagten Jahren 1870/1871 und waren seinerzeit ebenfalls als Friedenslinden gepflanzt worden.“ Die Erinnerung daran sei für ihn immer imponierend gewesen, erstens aufgrund des Alters, das so ein Baum erreichen kann, „und ebenso wegen der Bedeutung hinter der Pflanzung“, ergänzt Mann. „Dass Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine begonnen hat, tut richtig weh. Und deshalb wollen wir heute hier in Selters ein Zeichen setzen.“

Die Friedenstauben wurden noch am Morgen im Religionsunterricht gebastelt.

Die Schüler scheinen den Gedankengang nachvollziehen zu können. Ohnehin sind sie nicht unvorbereitet zur Pflanzaktion gekommen: „Wir hatten zwar eigentlich gerade ein ganz anderes Thema“, schildert Marius Colloseus, „aber haben die Idee hinter der Friedenslinde spontan in den Unterricht aufgenommen. Es gibt aktuell genug Regionen auf der Erde, wo eben kein Frieden herrscht. Wir wollten ein bisschen Licht ins Dunkel bringen, dem Baum ‚Leben einhauchen‘ und die Friedenstauben einsetzen.“

Colloseus unterrichtet den katholischen Religionskurs der sechsten Klasse an der IGS. Seine Schüler, unterstreicht der Pädagoge, wüssten bestens Bescheid über das (unfriedliche) Weltgeschehen; die meisten Friedenswünsche der Kinder richteten sich an Israel, Gaza und die Ukraine – so, wie es auf den Tauben in der Baumkrone auch zum Ausdruck gebracht wird. Das aktuelle Geschehen bewege junge Menschen ebenfalls, bestätigt der Religions- und Englisch-Lehrer. Im Anschluss an die Pflanzung wolle er das Thema in der Klasse darum weiter vertiefen.

„Jaaaaa!“, nicken viele der Schüler, die bei der Baumpflanzaktion in erster Reihe dabei sind, mithelfen, die wuchtige Pflanze in das ausgehobene Loch zu bugsieren: einen Baum haben sie in ihrem Leben schon einmal gepflanzt – meist im elterlichen Garten. Manche der Kinder erzählen, dass sie Apfelbäume und andere Obstarten als Geschenk erhalten haben, oft zu einem Geburtstag. Alle finden es „cool“, dass nun ein wirklich schon recht großer neuer Baum den ansonsten eher grauen Schulhof mit frischem Grün ziert – und im Sommer sicher ein guter Schattenspender in mancher Pause sein wird.

„Es wäre schön, wenn ihr im heißen Sommer einen Blick auf euren Baum habt und der eine oder andere auch mal einen Eimer Wasser für ihn auskippt – denn gerade am Anfang hat der Baum es schwer, selbst Wasser auf so einer Fläche zu finden, wie sie hier auf dem Schulhof vorhanden ist“, gibt Markus Mann den Schülern mit auf den Weg und lässt den Blick über das graue Verbundsteinpflaster wandern.

Der Chef von „MANN Naturenergie“ ist merklich gerührt, dass die Schüler die Baumpflanzung so intensiv begleiten und mit ihrem eigenen Programm anreichern – von den gebastelten Tauben bis zu mehreren vorgetragenen Liedern, darunter das überaus passende „Friedensbaum-Lied“, geschrieben von Philipp Stegmüller: „Wir alle sind Kinder von einem großen Stamm/wie Blätter an einem alten Friedensbaum“, heißt es darin.

Der Religionskurs von Marius Colloseus hat außerdem einige Fürbitten vorbereitet, die die Kinder verlesen: „Ich wünsche mir, dass es keinen Krieg mehr gibt und keine Armut“, heißt eine davon. „Ich wünsche der Ukraine Frieden!“, eine andere. Oder: „Ich wünsche allen auf der ganzen Welt Frieden.“ Der Lindenbaum auf dem IGS-Schulhof wird die Schüler gewiss täglich daran erinnern, dass auch sie sich jeden Tag aktiv für den Frieden einsetzen können und sollten.

Uwe Schmalenbach

Holz bietet mehr Arbeitsplätze als Autobranche

Die GDL, die „Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer“ ist vermutlich nahezu jedem ein Begriff. Die GDL hat zwar lediglich rund 40.000 Mitglieder, jedoch trotzdem eine große Bekanntheit – spätestens, seit sie mit ihren jüngsten Streikmaßnahmen abermals den Alltag Zehntausender Pendler beträchtlich erschwert hat. Die AGDW, die „Arbeitsgemeinschaft Deutscher Waldbesitzerverbände e.V.“, repräsentiert zwei Millionen Mitglieder, denen etwa zwei Drittel aller Waldflächen in Deutschland gehören und ist dennoch nahezu unbekannt. Ebenso wie die Tatsache, dass der „Cluster Holz“ in Deutschland eine enorme Wirtschaftskraft darstellt und mehr Arbeitsplätze bietet, als die Automobilindustrie.

Die Nutzung von Holz (hier auf dem Rundholzplatz der „Westerwälder Holzpellets“) ist europaweit ein enorm bedeutsamer Wirtschaftsfaktor, wie die Studie zeigt. Foto: Schmalenbach

Es ist eine wahrhaft ausführliche Betrachtung, die jedoch weitestgehend nur in Fachkreisen wahrgenommen wurde: Als in Wien im vergangenen Herbst die Studie „Forst- und Holzwirtschaft in Europa“ veröffentlicht wurde, berichteten darüber in Deutschland nicht die tagesaktuellen Mainstreammedien, sondern Fachpublikationen wie zum Beispiel das „Holz-Zentralblatt“, das aber gerade einmal 4.000 Abonnenten hat; ein sehr kleiner Kreis also.

Dabei betreffen die Daten der besagten Studie uns alle in vielfacher Hinsicht: Der Wald ist gut fürs Klima und ein Mittel gegen CO2, bietet Raum für Erholung und Entspannung, für Sport und Freizeit. Aber vor allen Dingen generiert die Forst- und Holzwirtschaft der Europäischen Union (EU) sowie Norwegens, der Schweiz und Großbritanniens 527 Milliarden Euro Wertschöpfung im Jahr, wie die Studie darlegt!

In der besagten Untersuchung, die formal den sperrigen Titel „Economic Impact of the Forestry and Wood Industry in Europe in terms of the Bioeconomy“ trägt, kommt überdeutlich zum Ausdruck, dass die Forst- und Holzwirtschaft eine erheblich größere wirtschaftliche Bedeutung hat, als gemeinhin angenommen wird. Es ist im Durchschnitt der 30 untersuchten europäischen Staaten jeder 16. Euro, der unmittelbar oder mittelbar aus diesem Wirtschaftszweig stammt.

Geht es im politischen Diskurs um den Zustand und die Transformation der heimischen Wirtschaft, werden in Deutschland dabei in der jüngeren Vergangenheit vermehrt Branchen wie die Chemie und immer wieder der Automobilbau und deren Erfordernisse (Stichwort Industrie-Strompreis) in den Fokus genommen. Allerdings gibt es in der Automobilindustrie (im Jahresdurchschnitt 2021, laut Bundeswirtschaftsministerium) 786.109 Beschäftigte, die Forst- und Holzwirtschaft bietet hierzulande laut besagter Studie jedoch über 1,3 Millionen Arbeitsplätze. Der (Inlands-)Umsatz der Automobilindustrie betrug 2021 knapp 136 Milliarden Euro, der des Clusters Holz 2022 lag bei über 188 Milliarden Euro. Stolze sechs Prozent unserer nationalen Wirtschaftsleistung kamen aus dem Segment, wie „Forst- und Holzwirtschaft in Europa“ darlegt.

Was aber könnte bloß der Grund dafür sein, dass die wirtschaftliche Bedeutung des Clusters Holz in der Bevölkerung und bei manchen Institutionen wie Teilen der Politik augenscheinlich nicht entsprechend im Bewusstsein ist und/oder wertgeschätzt wird? Und was müsste passieren, damit diese etwa bei den vermehrt aufkeimenden Diskussionen um die (Fort-) Nutzung des Wirtschaftswaldes Berücksichtigung fände?

Hierzu hätte die „Wäller Energiezeitung“ gerne die Meinung von Verbänden gehört, die die Forstwirtschaft vertreten und Lobbyarbeit „pro Waldnutzung“ machen sollen. Doch trotz mehrwöchiger Bemühungen gelang es der Redaktion nicht, dazu ein Statement von Organisationen wie beispielsweise der AGDW oder des gleichermaßen kontaktierten „Waldbesitzerverbandes für Rheinland-Pfalz e. V.“ zu bekommen.

Yonne-Ina Feldger

Eine fließende Lebensader der Natur

Am Ortsrand von Stein-Wingert, auf einer kleinen Anhöhe, liegt der Friedhof des 200-Seelen-Dorfes, und ein Wanderparkplatz gleich daneben. 30 Meter unterhalb, am Fuß der von dort steil abfallenden Böschung, strömt die Nister vorbei auf ihrem knapp 64 Kilometer langen Weg vom Berg „Fuchskaute“ in die Sieg. In dem für den Westerwald charakteristischen Fließgewässer steht an diesem Morgen Manfred Fetthauer, gemeinsam mit PD Dr. Carola Winkelmann, knietief in den Fluten – und angelt auf besondere Weise.

Ein wichtiges Motiv für die Gründung der „ARGE Nister“ sei der Wunsch gewesen, den Lachs wieder heimisch werden zu lassen im Westerwald, erzählt Manfred Fetthauer, hier mit PD Dr. Carola Winkelmann beim Elektroangeln. Fotos: Schmalenbach

Nein, der Kormoran und Manfred Fetthauer werden in diesem Leben wohl keine Freunde mehr. Dabei geht es dem Vorsitzenden der „Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Nister“ nicht um Sympathie oder Antipathie. Vielmehr bemängelt er, dass eine größere Anzahl des schwarzen Vogels die Nister leerfische, dass solcherlei an vielen Orten in Deutschland passiere, der Kormoran zuweilen aber sogar im Rahmen von sogenannten „Naturschutzprojekten“ eigens angesiedelt werde. Der gebürtige Stein-Wingerter kritisiert kopfschüttelnd, dass man „Naturschutz in Deutschland oft nur bis zur Wasseroberfläche“ denke, wie er das formuliert.

Der Gründer der ARGE beschäftigt sich seit bald drei Jahrzehnten mit dem, was im Wasser und im Flussbett passiert, was da lebt oder nicht lebt und welchen Einfluss das aufs gesamte Ökosystem hat. Um darüber Erkenntnisse zu gewinnen, führt er zum Beispiel Maßnahmen wie das besagte Angeln mit PD Dr. Carola Winkelmann durch, die die „AG Fließgewässerökologie“ an der Universität Koblenz leitet: Mit einer Elektroangel treiben die beiden Wissbegierigen einige Minuten lang mithilfe eines Magnetfeldes alles an Fischen in einem Kescher zusammen, was einige Meter um sie herum bei Stein-Wingert in der Nister schwimmt.

„Das ist die Nase. Das ist der wichtigste Fisch hier. Dieser karpfenartige Fisch heißt Nase, weil er hier wirklich so eine kleine Stupsnase hat. Und das Wesentliche ist diese verhornte Unterlippe: Damit kratzt die Nase die Algen von den Steinen ab, wie ein Hobel“, erläutert Carola Winkelmann, während sie ein eingefangenes Exemplar in den Händen hält. Werde die Nase dezimiert, breiteten sich Algen ungehemmt aus – der Sauerstoffgehalt im Fluss sinke.

Die Ausbeute beim Elektroangeln ist an diesem Morgen überaus erfreulich, wie die Gewässerkundler am Ufer feststellen: Nicht allein, dass ein großer gelber Eimer nach wenigen Minuten fast voll geworden ist. Unter den ausschließlich zum Zwecke der Bestandskontrolle und Bestimmung vorübergehend eingefangenen Tiere ist sogar ein winzig kleiner Lachs! Ein riesiger Erfolg, denn die Lachs(wieder)ansiedlung in der Nister ist eines der ARGE-Projekte.

Gleichwohl weisen drei der größeren Fische im Eimer Verletzungen auf, die, da ist der Experte sicher, ihm der Kormoran auf einem Beutezug durch Krallen oder Schnabel beigebracht haben muss: „Die verletzten Stellen der Fische verpilzen, wenn es jetzt wieder wärmer wird, und bald darauf sterben sie“, legt Manfred Fetthauer die Stirn in Falten.

Gerade im Winter werden die Fischbestände in der Nister von ihren natürlichen Räubern „übernutzt“, wie die Wissenschaft das nennt. Denn in der kalten Jahreszeit drängen die Fische dichter aneinander und haben einen reduzierten Stoffwechsel – und sind somit eine besonders leichte Beute für Fischfresser. „Aber auch die Folgen des Klimawandels wirken sich negativ auf die Gewässerqualität aus. In Zukunft müssen beim Gewässerschutz also neben Verbau und Nährstoffeinträgen aus Landwirtschaft und Kläranlagen auch der erhöhte Fraßdruck auf Fische und die Klimawandelfolgen bedacht werden, um den ökologischen Zustand der Nister weiter zu verbessern. Nur so sind auch die engagierten Ziele der EU zu erreichen, Biodiversität und Ökosystemdienstleistungen der Gewässer wie zum Beispiel die Selbstreinigungskraft zu erhalten“, betont Carola Winkelmann.

Während die Privatdozentin den Fang behutsam, Fisch für Fisch wieder in die Nister und damit unversehrt in die Freiheit entlässt, schildert Manfred Fetthauer, warum er sich über den eben betrachteten Lachs so freut: „Der Lachs war bis etwa 1900 ein Grundnahrungsmittel. Der letzte wurde hier an der Nister Heiligabend 1924 gefangen. Genau an derselben Stelle hatten wir 76 Jahre später wieder Lachs!“ Seit 20 Jahren betreiben Manfred Fetthauer und die „ARGE Nister“ seine Wiederansiedlung. Die jedoch sei mühsam und zäh – der Kormoran frisst eben auch gerne Lachs.

Die Renaturierung der Nister und der Aufbau einer ökologisch hochwertigen Artengemeinschaft sind das vorrangige Ziel der „ARGE Nister“. Auch ein intaktes Kiesbett ist dabei wichtig.

Alles in allem, daran lässt der in Stein-Wingert Lebende keinen Zweifel, stehe es um die Artenvielfalt in unseren Flüssen und Bächen ohnehin nicht zum Besten. Er verweist auf zahlreiche Studien, die die Situation, auch außerhalb des Westerwaldes, als dramatisch darstellen: So hat zum Beispiel erst im vergangenen Januar das Leibnitz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) berichtet, dass die Forelle auf die Liste der in Deutschland gefährdeten Fische gesetzt worden ist – zum ersten Mal überhaupt. Insgesamt gelten dem Institut zufolge sogar schon mehr als die Hälfte aller einheimischen Arten als gefährdet – oder sind bereits ausgestorben!

Fragt man nach den Ursachen für diese beklagenswerte Entwicklung, verweist Fischexperte Dr. Christian Wolter vom IGB auf den Verlust von Lebensräumen durch Gewässerverbauung und -verschmutzung sowie die Folgen des Klimawandels. Ein ebenso negatives Bild gibt die „Rote Liste“ des Bundesamtes für Naturschutz wieder. Sie führt 38 Süßwasserfischarten in unserem Land als bestandsgefährdet auf – nach „nur“ 22 im Jahr 2009.

„Obwohl die Nister schon in den 1970er-Jahren ausgebaut und damit stark verändert wurde, begannen die richtigen Probleme hier erst in den späten 1990ern. Das Ökosystem drohte umzukippen, da Algenmassenentwicklungen die Lebensbedingungen für alle Gewässerbewohner dramatisch verschlechterten. Seitdem kämpfen wir für die Nister – in den letzten Jahren mit intensiver Unterstützung der Wissenschaft. Das hilft enorm, denn im Gewässerschutz hängt alles mit allem zusammen“, sagt Manfred Fetthauer.

Und er sagt ebenso, dass manchen Naturschützern beziehungsweise einigen Naturschutzorganisationen die Bedeutung der Fischarten und deren Vielfalt für das Ökosystem Fluss nicht bewusst sei. Oder dieser Zusammenhang mitunter sogar aus ideologischen Gründen bewusst ausgeblendet werde. „Dabei sind das Systeme, die sich über Jahrtausende aufgebaut haben. Das Ökosystem Fließgewässer ist eine Lebensader in der Natur.“ Diese helfe sogar, so Fetthauer weiter, Schadstoffe wie Nitrate aus der Landwirtschaft oder Medikamentenrückstände abzubauen. Eine intakte Sauerstoffversorgung im Wasser sei wichtig fürs Grundwasser und vieles mehr.

Das Bundesnaturschutzgesetz betont in seinem ersten Paragraphen unter der Ziffer 3 gleichermaßen: „Zur dauerhaften Sicherung der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts sind insbesondere (…) Meeres- und Binnengewässer vor Beeinträchtigungen zu bewahren und ihre natürliche Selbstreinigungsfähigkeit und Dynamik zu erhalten; dies gilt insbesondere für natürliche und naturnahe Gewässer einschließlich ihrer Ufer, Auen und sonstigen Rückhalteflächen (…)“

Die Forscher der Universität Koblenz vermochten ihrerseits nachzuweisen, dass gesunde Fischbestände, insbesondere die Arten Nase und Döbel, die Gewässerqualität maßgeblich verbessern können.

„Ich bin hier groß geworden. Aus meinem Schlafzimmerfenster in meinem Elternhaus konnte ich auf den Fluss gucken“, erzählt Manfred Fetthauer, am Ufer desselben stehend. „Jeden Tag, oder spätestens jeden zweiten Tag waren wir im Wasser.“

In diesem Bereich müssten, wenn sie ihre Winterquartiere verlassen und wieder in andere Abschnitte des Flusses schwimmen, in einer intakten Nister gut 20 Arten in ausreichender Zahl leben.

Mit vier oder fünf Jahren habe er gewusst: „Unter diesem Stein ist eine Forelle, unter jenem Stein ist eine Forelle. Ich ‚rieche‘ inzwischen den Zustand der Nister – man bekommt eine Verbindung, ein Empfinden dafür.“ Fetthauer berichtet von einem Spaziergang mit seiner Frau, vier oder fünf Jahre müsse der nun zurückliegen. Das Paar war an einem Samstag nahe der Abtei Marienstatt unterwegs, wo der Fluss sieben, acht Kilometer entfernt von Stein-Wingert vorbeifließt. „Ich sagte zu meiner Frau: ‚Ich rieche es, mit der Nister stimmt etwas nicht!‘“ Die Gattin habe geantwortet: „Ach, was du immer hast!“ Wieder daheim, holte der Gewässerforscher sein Messgerät, bestimmte anschließend den elektrischen Leitwert des Wassers, der, wie er ausführt, normalerweise um 250 liege, doch an jenem Samstag bei über 400… Er fuhr den Fuss ab und fand als Ursache ein übergelaufenes Überlaufbecken einer Kläranlage.

Einst war Manfred Fetthauer Servicetechniker bei der „Telekom“. Kurz vor dem Renteneintritt hatte er ein mit 1.800 Überstunden gefülltes Arbeitszeitkonto. Zwischen Rhein und Sieg war der Westerwälder in seinem Job viele Jahre unterwegs, „und wenn man irgendwo über eine Brücke fährt und sieht unten keine Fische mehr: Dann muss ich mich fragen, warum keine mehr da sind!“

Wenn man der Natur verbunden sei, müsse man daraufhin etwas tun, erklärt der ARGE-Vorsitzende, woher er, trotz mancher Rückschläge, in all den Jahren seine Motivation für die ehrenamtliche Arbeit beziehe. Die Verleihung des Gewässerentwicklungspreises sei da ein aktueller Antrieb, sich weiter für intakte Systeme in der Nister, einigen ihrer Nebenflüsse oder auch der Wied einzusetzen.

Uwe Schmalenbach

Dazu da, um die Gesetze passend zu machen

Von „MANN Naturenergie“ habe sie schon oft gehört, berichtet Katrin Eder schmunzelnd. Das Unternehmen im Westerwald, das sich mit erneuerbaren Energien befasst, „musst du dir einmal ansehen“, habe man ihr empfohlen, schildert die rheinland-pfälzische Umweltministerin (Bündnis 90/Grüne) weiter, während sie mit Markus Mann und einigen seiner leitenden Angestellten zum Meinungsaustausch in der Alten Schule am Firmensitz Langenbach zusammentrifft.

Trotz des beim Besuch wirklich recht ungemütlichen Wetters möchte sich Katrin Eder (dritte von links) den Langenbacher Betrieb ansehen. Fotos: Schmalenbach

Wie es sich für eine Umweltministerin heutzutage geziemt, ist Eder dort in einem Elektroauto vorgefahren. Sie sei indessen das erste Mitglied der Mainzer Landesregierung gewesen, das einen vollelektrischen Pkw nutzt, so die Politikerin. Und schon entspinnt sich eine lebhafte Diskussion rund um die kleinen und großen Hürden der Energiewende, Erfahrungen mit dem Netz der Ladestationen oder den Reichweiten im Winter, die die zur MANN-Gruppe gehörenden „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) bislang im Schwerlastverkehr gemacht haben. Denn die WWP nutzen inzwischen für sieben von zwölf ihrer Lkw vollelektrische Modelle (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete).

Die Ministerin ist sehr interessiert an der Frage, woher die WWP das Holz, den nachwachsenden Rohstoff für ihr Sägewerk beziehen können und wie die Situation der Wälder im Westerwald oder dem benachbarten Sauer- und Siegerland ist. Markus Mann erläutert, dass das Holz zukünftig von weiter weg kommen müsse, da die heimischen Wälder im Prinzip tot seien. Und dass sein Unternehmen darum ambitionierte Bahnpläne verfolge, bei denen eine alte Trasse der „Westerwaldbahn“ dereinst für den Rundholztransport zum Werk in Langenbach bei Kirburg genutzt werden solle, jedoch einige wenige Kommunalpolitiker dagegen kämpfen würden (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete).

Ob es ihr Politikstil, eine Seite ihrer Persönlichkeit, die gereifte Einsicht, dass Politik besser vermittelt werden muss, als das speziell die Grünen (auf Bundesebene) zuletzt vermocht haben, oder eine Mischung aus allen Aspekten ist? Wie auch immer die Antwort lautet, fällt bei allen zwischen der Ministerin und dem Energiepionier diskutierten Themen auf, dass Katrin Eder recht viel nachfragt. „Was meinen Sie, woran das liegt?“ „Woran hängt es?“ „Was müssen wir ändern? Wir sind in der Politik dazu da, die Gesetze passend zu machen.“ Solche und ähnliche Sätze fallen an diesem frühen Nachmittag vielfach. Eder macht sich unterdessen viele Notizen zu den Dingen, die sie beim Besuch von „MANN Naturenergie“ erfährt (siehe dazu auch das Interview auf den Seiten 4 bis 6 der neuen „Wäller Energiezeitung“-KOMPAKT).

Während des Austauschs in der Alten Schule stellt die Grünen-Politikerin (rechts) häufig Rückfragen.

Mann und seine Mitarbeiter führen unter anderem das Beispiel des Zubaus von Photovoltaik im Arealnetz des Unternehmens an. Dabei werde man mit Problemen konfrontiert wie dem Hemmnis, dass das sogenannte „Insel-Netz“ der Firma jedes Mal von neuem zertifiziert werden müsse (was mit erheblichen Kosten und Verzögerungen verbunden ist), wenn auf einer freien Dachfläche auch nur zehn Kilowatt zusätzliche Leistung durch Solarmodule installiert werden sollen. „Jetzt erklären Sie mir das nochmal“, sagt Katrin Eder abermals. Und scheint tatsächlich überrascht zu sein, dass solche und ähnliche Beschwernisse all jenen Unternehmen zu schaffen machen, die bereits versuchen, in ihrem eigenen Verantwortungsbereich verstärkt erneuerbare Energien einzusetzen.

Bei allen problematischen Punkten kann die Umweltministerin des Landes auch positive Beobachtungen darlegen. Etwa von einer Akzeptanzstudie, die ihr Ministerium hat durchführen lassen. Demnach habe die große Mehrheit der Rheinland-Pfälzer (69 Prozent) keine Angst mehr vor gehäuften Stromausfällen durch immer mehr Ökostrom in den Netzen. So jedenfalls die Studie, die das Landesumweltministerium in Auftrag gegeben hat und für die die „Forsa Politik- und Sozialforschung GmbH“ vom 3. bis zum 26. Mai 2023 rund 2.500 Rheinland-Pfälzer über 18 Jahre befragt hat.

Die Umweltministerin zückt das Handy und hält zahlreiche Eindrücke des Besuchs von „MANN Naturenergie“ fotografisch fest.

2019 war Katrin Eder noch Umwelt- und Verkehrsdezernentin der Landeshauptstadt. Während des sich an die Diskussion in der Alten Schule anschließenden Betriebsrundgangs erzählt sie davon, wie sie seinerzeit die Einführung des ersten vollelektrischen Müllwagens in Mainz begleitet habe. Kurz darauf bleibt sie, an einem ebenso elektrisch angetriebenen Nutzfahrzeug, stehen, zückt das Smartphone und fotografiert einen der nagelneuen „Volvo Electric“ des Langenbacher Energieversorgers WWP.

Schon seit der ersten „Windmühle“, die Markus Mann vor fast 33 Jahren in seinem Heimatdorf aufstellen ließ, gab es dort stets etwas Neues, Ungewöhnliches, zuweilen Experimentelles zu sehen, das immer mit „grüner“ Energie und der Energiewende zu tun hatte. Und das dem Anschein nach selbst eine Fachpolitikerin wie die Umweltministerin des Landes zuvor noch nicht in der praktischen Anwendung betrachten konnte.

Nach einigen weiteren Fotos wie jenen von den vertikal montierten Photovoltaik-Modulen, die in kreisrunder Anordnung an den großen WWP-Pelletsilos hängen, ist die Besuchszeit um, der Dienstwagen Katrin Eders unterdessen mit „MANN Strom“ wieder aufgetankt und bereit für die Weiterfahrt zum Anschlusstermin, bei dem es um die Landwirtschaft gehen soll.

Zwei Stunden danach sind bereits die nächsten Besucher in Langenbach angekündigt: Eine Gruppe der CDU will ebenso erfahren, wie Markus Mann und sein Team an der Energiewende im eigenen Bereich arbeiten; und dabei manche Lösung erproben, die auch im großen Stil eingesetzt werden könnte.

Uwe Schmalenbach

Sicherer Ort zum Lernen, Spielen – und Ernten

In Langenbach werden nördlich des Rundholzplatzes der „Westerwälder Holzpellets“ (WWP) gerade Solarzellen umgebaut. Auch Tausende Kilometer entfernt, in der peruanischen Gemeinde Alto Tiwinza, hat man sich mit Photovoltaik beschäftigt: An der örtlichen Grundschule sind Solarmodule installiert worden, um die Einrichtung mit Strom zu versorgen. Es ist nur eine von vielen Maßnahmen, die umgesetzt wurden, seit „MANN Naturenergie“ damit begonnen hat, den Bau der Schule zu unterstützen.

Derzeit besuchen 30 Kinder die Grundschule.

Rückblick: 2015 beschloss der Langenbacher Energieversorger, sich an einem Projekt der „Reiner Meutsch Stiftung FLY & HELP“ zu beteiligen: Die Organisation mit Sitz in Kroppach wollte mit Hilfe von Spenden ein neues Grundschulgebäude in Alto Tiwinza errichten (die „Wäller Energiezeitung“ berichtete). Zwar gab es dort bereits eine Schule, doch die hatte so erhebliche Mängel und war dadurch einsturzgefährdet, dass ein Neubau dringend notwendig war. MANN wollte das Vorhaben mit realisieren und trug als Spender die Kosten des Baus. Der Förderumfang des 2016 begonnenen Projekts beinhaltete nicht nur die Errichtung des neuen Schulgebäudes, sondern unter anderem ebenso Sanitäreinrichtungen und eine Schulküche. Bereits im Folgejahr war die Errichtung des Schulgebäudes abgeschlossen.

Das Gebäude befindet sich in Alto Tiwinza, einer ländlichen Gemeinde an der Ostseite der Andenkette. Fotos: Fly&Help

Seither ist einiges mehr erreicht worden: Neben den Klassenräumen gibt es nunmehr auch ein Lehrerzimmer, in einem Schulgarten wird eigenes Gemüse angebaut. Die 30 Erst- bis Sechsklässler – 19 Mädchen und elf Jungen –, die aktuell die durch MANN geförderte Schule besuchen, finden in Alto Tiwinza tolle Unterrichts-, aber auch Pausenbedingungen vor. Auf einer Fläche neben dem Schulgebäude dienen zwei Holzbögen als Tore eines Fußballplatzes, eine kleine Betonplatte wurde als Spiel- und Übungsplatz für die Schüler ergänzt. Der Untergrund erfüllt darüber hinaus noch eine zweite, überaus wichtige Funktion: er hilft dabei, das Eindringen von Schlamm in die Klassenräume an Regentagen zu verringern.

Dank eines neu errichteten Dachs müssen die Kinder während des Unterrichts auch nicht mehr unter der Sonnenhitze leiden. Und neben den eingangs bereits erwähnten Solarzellen verfügt die Grundschule mittlerweile sogar über Satelliteninternet. Ebenso erfreulich: Parallel zu dem Schulprojekt ist auf dem Gelände ein Hektar mit Kiefern aufgeforstet worden. In den nächsten Jahren, so der Plan, soll Holz geschlagen und der Erlös aus dessen Verkauf in die Instandhaltung und Umzäunung der Schule investiert werden.

„Kernenergie ist eine wunderbare Ausrede“

Seit vielen Jahren wird am Stammtisch gerne darüber diskutiert, dass in Deutschland „die Lichter ausgehen“, sobald die Stromerzeugung vermehrt durch erneuerbare Energien erfolgt. Doch im vergangenen Jahr erzielten eben diese Rekordanteile, deckten 2023 erstmals mehr als die Hälfte des gesamten Jahres-Stromverbrauchs in Deutschland. In den letzten Dezemberwochen lag der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten Nettostromerzeugung in Deutschland sogar deutlich über 80 Prozent – und trotzdem fuhren U-Bahnen und Aufzüge, hatten die Haushalte Licht und die Industrie Energie für ihre Anlagen. Woher stammen dann bloß all diese Energiemythen? Darüber sprach Andra de Wit mit Professor Dr. Volker Quaschning, Ingenieurwissenschaftler und Experte für regenerative Energien.

Volker Quaschning ist Ingenieurwissenschaftler und Professor für Regenerative Energiesysteme an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin. Foto: Quaschning

Sie beschäftigen sich schon lange mit Fragestellungen rund um die Energiewende. Haben Sie den Eindruck, dass es seit den 1990er-Jahren viele „Argumente“ gegenüber erneuerbaren Energien gibt, die sich bei näherer Betrachtung als falsch oder verzerrt herausstellen?
Die Mythen verändern sich ein bisschen. Ein Argument in den 1990er-Jahren war etwa, dass mehr als vier Prozent erneuerbare Stromerzeugung in Deutschland technisch nicht möglich sei. Heute sind wir bei über 50 Prozent. Das heißt, das „technisch Unmögliche“ haben wir erreicht. Und inzwischen sagt man: „Mehr geht ja nicht.“ Als Ingenieurwissenschaftler weiß ich, dass man natürlich sehr viele Sachen dafür tun muss, damit etwas klappt. Ohne Veränderungen kann man die Speicher- oder Netzfragen nicht klären. Aber einfach zu sagen, dass etwas nicht geht: Dadurch gelingt ja nichts.

Es wird immer wieder erzählt, dass die Netze zusammenbrechen, wenn Großkraftwerke fehlen. Aber: Allein in den letzten Dezemberwochen 2023 lag der Anteil erneuerbarer Energien an der gesamten Nettostromerzeugung in Deutschland in der Spitze über 80 Prozent – und doch sind die Lichter der Weihnachtsbeleuchtungen nicht ausgegangen.
Ja, und das war eigentlich auch schon vor 30 Jahren klar, dass das technisch möglich ist. Natürlich muss man die Maßnahmen dazu treffen. Wir brauchen technische Lösungen. Ein altes System kann man nicht eins zu eins in ein neues übertragen, da muss man ein paar Weichen stellen und, wie gesagt, Speicher und Netze mitbedenken.

Beweisen die Rekordanteile der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung, dass wir auf einem guten Weg sind?
Ja und nein. Wir sollten immer den Klimaschutzpfad betrachten: Beim Strom sieht es schon ganz gut aus, aber die Bereiche Verkehr und Wärme sind weiterhin die Sorgenkinder. Wir erzeugen deutlich über 50 Prozent des Stroms aus erneuerbaren Energien. Sehen wir uns aber alle Sektoren an – also Strom, Wärme, Verkehr, Industrie –, liegen wir ungefähr bei 21 Prozent erneuerbare Energien. Das heißt, es fehlen noch knapp 80 Prozent zur Energiewende. Wir brauchen viel mehr Tempo beim Ausbau.

Man hört oft, dass unsere Stromversorgung nur deshalb funktionieren würde, weil Deutschland viel Strom dazu kaufe. Aber ist es nicht vielmehr so, dass wir eher einen Stromüberschuss haben und viel exportieren können?
Auch hier gilt: Ja und nein. In den letzten zehn Jahren haben wir einen deutlichen Überschuss gehabt. Das hat sich etwas geändert. Mit dem Abschalten der Kernkraftwerke und mit den hohen Gas- und Kohlepreisen haben wir im Jahr 2023 leicht importiert, keine großen Mengen. Aber nicht, weil wir es mussten, sondern aus rein ökonomischen Gründen: Es ist einfach wirtschaftlicher, mal ein Kohlekraftwerk in Deutschland auszuschalten und von einem billigeren im Ausland Strom zu importieren. Wir sind zu einem Importland geworden, das ist richtig. Und es kommt so auch Atomstrom nach Deutschland, das lässt sich bei einem europäischen Stromhandel nicht vermeiden. Doch es kommt mehr Strom aus erneuerbaren Energien als Atomstrom zu uns. Insofern wird da, wie Sie schon sagten, vieles verzerrt wiedergegeben. Die Suggestion, dass wir Kernenergie aus dem Ausland bräuchten, damit unsere Stromversorgung sicher ist, ist komplett falsch.

Auf www.electricitymaps.com kann jeder selbst nachsehen, welche Region der Welt wie viel CO2 produziert und aus welchen Quellen der Strombedarf gespeist wird. Für Deutschland zeigen die Daten, dass die Erneuerbaren im gesamten Jahr 2023 weit mehr als die Hälfte unseres Stromverbrauchs decken konnten. Grafik: electricity maps

Welche „Hürden“ und Vorbehalte werden noch vorgebracht?
Die Dunkelflaute wird immer wieder aufgeworfen oder die Grundlastfähigkeit. Auch die Kernenergie kommt ständig als Mythos hervor. Sie wird in keinem Land der Welt zur Klimaneutralität führen und hat weltweit verschwindend geringe Anteile an der Gesamtenergieerzeugung. Es gibt nur noch wenige Länder wie Frankreich, die da ein bisschen drüber liegen. Trotzdem wird von manchen ein Boom der Kernenergie unterstellt, der gar nicht stattfindet. Wenn man sich die Zahlen ansieht, erkennt man das ganz deutlich.

Auswertungen der Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) belegen tatsächlich, dass das Gegenteil der Fall ist: dass die Zahl der AKW 2023 weltweit geschrumpft und die Atomstromproduktion heute niedriger als vor 20 Jahren ist. Dennoch wird in manchen politischen Kreisen behauptet, dass es ein Fehler gewesen sei, Atomkraftwerke abzuschalten – und dass im Ausland weiterhin auf Atomkraft gesetzt werde, nur hierzulande nicht.
Ja, auch in Deutschland – von der AfD bis hinüber zu CDU/CSU – wird die Kernenergie gerne als Lösung entgegengebracht. Die Frage ist: Warum tut man das? Selbst, wenn man drei Kernkraftwerke weiter laufen lassen würde, würde dies bei der Energiewende überhaupt nicht helfen. Was für ein Wunsch steckt also dahinter?

Können Sie sich das erklären?
Die Lösung ist, glaube ich, ganz einfach: Die Kernenergie ist ja eine wunderbare Ausrede! Wenn ich Kernenergie als etwas Gutes begreife, verschiebe ich das Lösen der Probleme wieder in die Zukunft. Denn uns allen ist klar, dass wir Veränderungen brauchen, diese aber nicht von allen mitgetragen werden – wir sehen das aktuell etwa bei den Bauernprotesten wegen des Subventionsabbaus im Energiebereich. Und das ist natürlich für die Politik ebenso wie für die Gesellschaft unangenehm. Deswegen versucht man Ausreden zu finden, warum wir die Veränderungen eigentlich gar nicht benötigen. Dazu dient entweder die Kernenergie oder Aussagen wie: „Das mit den erneuerbaren Energien klappt sowieso nicht“, „Die anderen machen das ganz anders.“ Das sind die immer gleichen „Argumente“, die aber alle in dieselbe Richtung gehen: Wir wollen nichts verändern, weil wir Angst vor Veränderung haben. Und daher suchen wir nach einer Ausrede, warum alles so bleiben kann, wie es ist.

Findet bewusste Täuschung nur durch politische Akteure statt oder auch durch Lobbyarbeit?
Ich denke, in den 1990er-Jahren war da ganz sicher die Energielobby die treibende Kraft. Große Energiekonzerne, die Kohle- und Atomkraftwerke betrieben haben, hatten natürlich kein Interesse an Veränderung. Das hat sich ein bisschen gewandelt: Die großen Energiekonzerne haben mittlerweile verstanden, dass Atom- und Kohleenergie keinen Sinn mehr machen, denn auch diese Konzerne müssen betriebswirtschaftlich denken. Doch es gibt viele Interessensgruppen, und zu denen zählt auch noch die Öl- und Gaslobby in den westlichen Ländern. Wir sprechen viel über Desinformation aus Russland, die nach Deutschland überschwappt: da steht das Interesse dahinter, weiter Gas zu verkaufen. Die Angst vor den Erneuerbaren ist für politische Kräfte aus dem Rechts-Außen-Bereich weltweit durchaus vorteilhaft. Hauptsächlich hört man die Argumente aus der Politik und aus der Gesellschaft. Ich glaube, dass die Politik einfach das ausspricht, was die Gesellschaft sich wünscht.

Und was ist das konkret?
Dass es keine Klimaveränderung gibt und die Welt so bleiben kann, wie sie ist. Am besten also zurück in die 1980er- oder 1990er-Jahre, wo angeblich „stabile Verhältnisse“ herrschten. Dieses Narrativ wird von der Politik bedient. Da wird dann in Bayern die Laufzeit eines Atomkraftwerks verlängert und im Gegenzug verkündet, dass man dort ja nun keine Windkrafträder braucht. Alles, was unangenehm ist, kann unterbleiben. Das wird zwar so nicht ausgesprochen, aber zwischen den Zeilen verstehen das zumindest die Menschen, die diese Politiker wählen. Natürlich sind das Versprechen, die nicht eingehalten werden können.

Können Sie das genauer erläutern?
Das ist reine Machtpolitik. Man verspricht Menschen etwas und hofft, dass dies in drei, vier Jahren wieder vergessen sein wird oder alles am Ende doch nicht so schlimm kommt und man das Problem einfach aussitzen kann.

Wie funktioniert diese Strategie im Detail?
Es werden Ängste geschürt. Die AfD möchte zum Beispiel Angst vor den Grünen schüren, denen ja Anliegen rund um erneuerbare Energien tendenziell zugeordnet werden. Es wird eine Antiposition eingenommen und gegen die andere Position Stimmung gemacht, um Stimmen zu erhaschen.

Man müsse alles versuchen, um die Gesellschaft aufzuklären, meint Quaschning (hier bei einem Vortrag): „Deshalb mache ich mich in der Wissenschaftskommunikation stark. Denn leider können viele Menschen nicht mehr zwischen Fake News und wissenschaftlicher Nachricht unterscheiden.“ Foto: Bruce B./Dieffenbacher

Von einer normalen Debattenkultur kann da also nicht die Rede sein?
Ja, und was mir ein bisschen Sorge macht: Die Klimaschutzziele werden derzeit gerade so noch eingehalten, weil wir einfach wegen der Energiekrise zuletzt viel Energie eingespart haben. Doch wir können eindeutig sehen, dass das, was wir mit den eingeleiteten Maßnahmen erzielen werden, nicht ausreichen wird. Daher muss die nächste Regierung ganz klar deutlich größere Klimaschutzmaßnahmen treffen. Tut sie das nicht, wird es dazu Urteile höchst richterlicher Art geben. Das heißt, ein Herr Merz müsste als möglicher Bundeskanzler eigentlich sehr ambitionierten Klimaschutz betreiben. Ich würde mir daher in der politischen Debatte wünschen, dass auch die Union mal formuliert, wie sie das erreichen möchte. Es gibt aber gar keinen Plan, der auf dem Tisch liegt. Und das bereitet mir Sorgen. Denn eigentlich würde man sich das in einer Demokratie anders wünschen.

Wie genau?
Dass alle großen Parteien einen Vorschlag machen und man sich am Ende für den besten entscheidet. Die Grünen haben einen Vorschlag gemacht, der für das Erreichen der Klimaschutzziele am ehesten in die richtige Richtung geht, aber noch nicht einmal ausreichend war. Von den anderen Parteien kommen im Prinzip gar keine sinnvollen Vorschläge, die erkennbar werden lassen, wie wir klimaneutral werden sollen. Und dadurch werden natürlich diese Kämpfe, die wir jetzt zunehmend sehen, fortlaufen. Zum Beispiel aktuell bei der Streichung von Agrarsubventionen. Denn wir müssen die Klimaschutzziele einhalten, es gibt ja schon vom Verfassungsgericht einen Richterspruch dazu, und es wird weitere geben. Wenn man dann mit der „Brechstange“ vorgehen muss, wird es massivste Widerstände aus der Bevölkerung geben, weil die Leute so schnell nicht mitgehen können. Das heißt, diese Antipolitik und diese Lösungsverweigerung, die die Politik vorantreibt, ist aus meiner Sicht am Ende auch demokratiegefährdend. Wenn die Menschen nicht mitgenommen werden, ist das natürlich ein idealer Nährboden für Populisten und die AfD.

Kann man dieser Entwicklung mit faktenbasierter Aufklärung überhaupt noch entgegenwirken?
Man muss es natürlich versuchen. Man findet in den sozialen Netzwerken alle möglichen Fake News, und auch den Medien wird nicht mehr sonderlich viel zugetraut. Da ist bei manchen eine Telegram-Verschwörungsnachricht genauso viel wert wie ein recherchierter Bericht in der „Tagesschau“. Und es ist natürlich schwer, zu solchen Menschen durchzudringen. Aber ich sage mir immer: Am Ende gewinnt stets das seriöse Argument. Wenn man zeigt, dass etwas funktioniert, bekommt man diese Mythen entkräftet. Die Elektromobilität zum Beispiel wurde so sehr abgelehnt: Man kommt nicht weit, man bleibt im Stau liegen und was da nicht alles behauptet wurde! Ich fahre schon sehr lange elektrisch, und am Anfang waren die Nachbarn ebenfalls skeptisch. Aber dann sahen die halt: Der Herr Quaschning fährt in den Urlaub – und er kommt auch wieder zurück. (lacht)

Einst Lohmühlen, jetzt neue Ladesäulen am „Löwenbad“

Am Anfang stand eine öffentliche Ausschreibung der Verbandsgemeinde Hachenburg, am Ende hat „MANN Naturenergie“ offenkundig das wirtschaftlichste Angebot dazu abgegeben: Auf dem Parkplatz direkt am beliebten „Löwenbad“ der Residenzstadt hat die „Abteilung eMobilität und Infrastruktur“ zwei Ladesäulen des niederländischen Herstellers „Alfen“ installiert. Somit können nun draußen bis zu vier Fahrzeuge gleichzeitig echten Ökostrom „tanken“, während ihre Fahrer drinnen im Bad den Whirlpool oder Wasserfall genießen.

Selbstverständlich dürfen nicht nur „Löwenbad“-Besucher ihre Elektroautos laden. Es handelt sich um öffentliche Ladesäulen. Jede davon bietet eine Leistung von 22 Kilowatt (kW) und je zwei Ladepunkte.

Damit deren Nutzung besonders einfach ist, benötigt man fürs Stromtanken am „Löwenbad“ keinerlei vorherige Registrierung, Freischaltung oder besondere Ladekarte: Jede heute übliche EC-Karte reicht aus, um den Ladevorgang zu starten und über das „Giro-E“-System unkompliziert mittels anschließender Lastschrift zu bezahlen. Gleichwohl akzeptieren die von MANN aufgestellten beiden „PG Line“ ebenso die gängigen Ladekarten, wobei es zuweilen sein kann, dass das Laden mit der EC-Karte sogar preisgünstiger ist.

Mit einer EC-Karte lässt sich der Ladevorgang starten.

Darüber, dass man nur die exakte Menge echten Grünstrom bezahlt, den man wirklich „getankt“ hat, wacht eine eichrechtskonforme Ausführung der öffentlichen Säulen. Sie sind Eigentum der Verbandsgemeinde Hachenburg, die Abrechnung des Ladens erfolgt über „MANN Naturenergie“.

Das Langenbacher Unternehmen hat inzwischen allein in Hachenburg sechs Säulen bereitgestellt. Am beliebten Kino „Cinexx“ finden sich zwei Ladevorrichtungen von MANN, die „Westerwald-Brauerei“ wurde ebenfalls mit der Technik aus Langenbach versorgt und hat sogar besonders leistungsstarke Schnelllademöglichkeiten von der „Abteilung eMobilität und Infrastruktur“ erhalten.

Einstmals fanden sich übrigens am unmittelbar hinter dem Hachenburger „Löwenbad“ vorbeifließenden Oberbach die Lohmühlen der Stadt (daher der Straßenname des Weges, der zum Parkplatz mit den neuen Ladern führt). Die Gerber nutzten früher die Wasserkraft des Bachs, um Häute und Felle zu bearbeiten. Das allerdings war nicht der einzige Grund, warum die Zunft unweit der Stelle angesiedelt war, an der heute Elektroautos geladen werden können: Man untersagte ihnen schlichtweg ihre Arbeit im Stadtkern – der Gerüche wegen und wegen der durch sie verursachten „Umweltverschmutzung“, wie es hieß. Ausgerechnet am selben Ort kann nunmehr zertifizierter, „sauberer“ Ökostrom getankt werden…

Ein „statisches Lastmanagement“ wacht darüber, dass die 22 kW Leistung im Bedarfsfall auf zwei Autos an einer Säule verteilt werden.

Die zwei gaben ihm Mut

Man muss sich das einmal einen Augenblick lang vergegenwärtigen. Bier hatte man in der „Westerwald-Brauerei“ zu jenem Zeitpunkt schon seit 137 Jahren gebraut. Doch eines Tages passierte etwas Ungewohntes: Heiner Schneider, zu jener Zeit Chef des Hachenburger Unternehmens, erhielt einen ungewöhnlichen Anruf. Ein gewisser Markus Mann war dran, damals, im Jahr 1998, und er wollte Strom verkaufen. Jedoch nicht irgendwelchen Strom, sondern ausgerechnet „Grünstrom“ – etwas, worüber selbst Interessierte zu jenem Zeitpunkt noch nicht allzu viel gehört hatten.

Heiner Schneider, Markus Mann und Friedhelm Haas (von links) erinnern sich gerne an den Start ihrer Zusammenarbeit vor 25 Jahren.

Schneider nahm das Angebot spontan an. Und wie er, gab auch Friedhelm Haas, 1998 „Abteilungsleiter Sonderverträge“ bei den Stadtwerken Bonn (SWB), dem jungen Energiepionier aus dem Westerwald eine Zusage – beide, Schneider und Haas, gewiss nicht im vollen Bewusstsein für die Tragweiten ihrer Entscheidung. Denn damit legten sie, wie man heute weiß, vor 25 Jahren einen gewichtigen Grundstein, der Manns Arbeit für eine klimaneutrale Energieversorgung wesentlich voranbrachte.

Friedhelm Haas erinnert sich noch immer gut an die vom Verein „Eurosolar“ veranstaltete Konferenz in Bonn. Eine Politikerin der „Grünen“ „schoss“ heftig gegen die erst kurz zuvor in Kraft getretene „Verbändevereinbarung“, die im Gas- und Strombereich den Netzzugang auf dem soeben liberalisierten Energiemarkt regelte. „Da bin ich sauer geworden, habe mich bei der Veranstaltung vorne hingestellt und meine Position dargelegt. Mein ‚Aufritt‘ hatte dem Markus Mann, den ich seinerzeit noch nicht kannte, so gut gefallen, dass er mich in einer Pause ansprach“, schmunzelt er.

Ergebnis dieses ungeplanten Zusammentreffens war kurze Zeit darauf eine Vereinbarung für den Bezug von Ökostrom aus dem Westerwald. „Den haben wir in Bonn dann als ‚BonnNatur Strom‘ vertrieben“, erzählt Haas, „und waren mit die ersten, die nachweisbar 100 Prozent Grünstrom hatten. Zu meiner Freude existiert das Produkt heute noch!“, betont der Pensionär.

1998 war für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ein Schicksalsjahr, was die Energieversorgung in den heimischen vier Wänden wie in Gewerbebetrieben anging: erstmals wurde es möglich, einen Anbieter frei auszusuchen! Bis dahin, das erscheint uns heute fast unwirklich, musste man mit dem leben, was der örtliche Energieversorger halt lieferte – selbst wenn es Strom aus Atomkraft oder schmutzigsten Kohlekraftwerken war, eine Wahlfreiheit existierte nicht.

Doch als vor einem Vierteljahrhundert der Energiemarkt durch politische Entscheidungen liberalisiert wurde, war die „MANN Naturenergie“, die Markus Mann bereits 1993 ins Leben gerufen hatte, vom ersten Tag an dabei und bot Stromkunden eine ökologische Alternative an. Hatte am Anfang von Markus Manns unternehmerischem Weg die „MANN Windenergie KG“ gestanden, die im Herbst 1990 gegründet wurde und ihre erste Windkraftanlage im April des Folgejahres in Betrieb nahm, erhielt die drei Jahre jüngere„MANN Naturenergie GmbH & Co. KG“ mit der gesetzlichen Liberalisierung des Energiemarktes in der Bundesrepublik Deutschland anno 1998 erstmals die Möglichkeit, eigenen Ökostrom zu vermarkten.

Friedhelm Haas war zu jenem Moment bereits ein sehr erfahrener Experte. Er hatte in Gummersbach studiert, als diplomierter Ingenieur der Elektrotechnik abgeschlossen und im Anschluss drei weitere Jahre im Oberbergischen gearbeitet. Am 1. April 1974 („Manche sagen, es sei ein Aprilscherz gewesen“, lacht Haas) wechselte er von dort zu den Stadtwerken Bonn, zunächst eben im besagten Amt als Abteilungsleiter Sonderverträge. Später stieg er weiter auf zum Bereichsleiter, erhielt er sogar Prokura seines Arbeitgebers, bei dem er 33 Jahre blieb.

Haas‘ erstes großes Projekt nach dem Wechsel an den Rhein war übrigens die Stromversorgung des neu errichteten Bundeskanzleramtes in Bonn. Offenbar jemand, der auch mit anspruchsvollen, außergewöhnlichen Aufgaben gut zurecht kam.

Tanja Mann, Markus Mann, Friedhelm Haas, Heiner und Carla Schneider, Jörg Thielmann (Leiter Finanzwesen bei MANN) und der Leiter der „MANN-Strom“-Abteilung, Thomas Solbach, (von rechts nach links) haben in mit grünem Leder bezogenen Schwingstühlen Platz genommen, die im Plenarsaal von 1949 bis 1987 als Sitzmöbel für die Abgeordneten des Deutschen Bundestages dienten. Heute sind sie im „Haus der Geschichte“ in Bonn zu sehen – das über die Stadtwerke Bonn ebenfalls mit „MANN Strom“ versorgt wird. Fotos: Schmalenbach

Heiner Schneider trat 1976 in die „Westerwald-Brauerei“ ein, übernahm 1981 in vierter Generation die Leitung. „Als jungem Pimpf sagte Ihnen Naturschutz und Umweltproblematik damals erst einmal noch gar nichts!“, blickt er zurück. „Aber dann kommen Sie in eine Branche, die ihre Produkte nur mit vier Lebensmitteln herstellen darf – Wasser, Malz, Hopfen und Hefe. Eben entsprechend dem Reinheitsgebot.“

Irgendwann sei ihm klar geworden, führt Schneider aus, dass das Bier nur so gut sein könne, wie es die Natur zulasse. „Und in welchem Zustand die Natur sein wird, hängt von uns Menschen ab – weil wir sie zu stark nutzen, verunreinigen. Bier wird zu über 90 Prozent aus Wasser hergestellt. Und wenn wir merken, dass die Flüsse eine immer schlechtere Wasserqualität aufweisen, zusehends weniger Fische darin sind, dann erkennen Sie, dass damit den Menschen irgendwann die Lebensgrundlage entzogen werden würde und natürlich auch einer Lebensmittelbranche wie den Brauern.“

Heiner Schneider sah, wie der früher boomende Pestizid-Einsatz in der Landwirtschaft die Artenvielfalt bedrohte, bemühte sich um Gerste aus kontrolliertem Anbau und passte dafür die Preise der Biere aus Hachenburg an, um sich die hochwertigeren Rohstoffe erlauben zu können.

Er investierte viel Geld in Gewässerschutz und -aufbereitung, gründete einen Umweltfonds, erhielt 1985 erstmals einen Umweltschutzpreis für die Bemühungen der Brauerei. „Wir sind unter den bundesweit ersten zehn Brauereien gewesen, die bereits 1996 ihr Öko-Audit nach Standards der Europäischen Gemeinschaft ablegten! Ich habe mich zudem dafür eingesetzt, dass wir von Einweg-Gefäßen auf Mehrwegflaschen gegangen sind“, schildert der frühere Brauerei-Chef.

Und dann klingelte eines Tages eben Schneiders Telefon. „Da kam der Anruf von Markus“, erzählt er: „Ich würde dir gerne Naturstrom liefern – würdest du mitmachen?“ Heiner Schneider zögerte keinen Moment: „Sofort!“, antwortete er dem Grünstrom-Pionier.

Die Geschichte seit 1945 wird in der Schau in Bonn gezeigt. Das Haus eröffnete 1994 im Juni. Keine vier Jahre später wurde der Strommarkt in Deutschland liberalisiert.

Örtliche Energieversorger hatten bis dahin, wie überall in Deutschland, genauso im Westerwald ein Monopol gehabt. „Auch deswegen wollte ich ‚MANN Energie‘ unterstützen, um damit etwas gegen die Preisdiktate der bis dato herrschenden Monopolisten zu unternehmen“, erläutert Heiner Schneider trotzig. Ein weiterer Aspekt sei für ihn gewesen, dass MANN ein regionaler Anbieter war. „Hätte mich einer aus Hamburg oder München angerufen, hätte ich möglicherweise auch ‚ja‘ gesagt, aber bei Markus habe ich das mit einer noch erheblich höheren Motivation getan! Ich verkaufe mein Bier im Westerwald, trage ihn im Namen der Brauerei – wenn der Ökostrom, den ich aus Umweltschutzgründen haben wollte, ebenfalls aus der Region kommt, passen da doch Pott und Deckel zusammen. Und das Menschliche spielte zusätzlich mit hinein: Ruft Sie jemand aus einem großen Konzern aus München oder Hamburg an, sind Sie da eine Nummer, kennen da keinen. Also: Mein gewachsenes Umweltbewusstsein, die Liberalisierung des Strommarktes und endlich ein Liefervertrag, der der eigenen Unternehmens-Philosophie entspricht: das alles waren die Gründe für mein ‚Ja‘ an Markus.“

Den regionalen Aspekt stellt Friedhelm Haas ebenfalls heraus: „Ich hätte genauso Strom aus Wasserkraft in der Schweiz oder Österreich kaufen können. Aber das regionale Moment – Strom aus dem nahen Westerwald, den man aus dem Stadtgebiet Bonn beinahe sehen kann –, das war und ist bis heute etwas Besonderes an der Partnerschaft mit ‚MANN Energie‘.“ In den ersten Jahren der Zusammenarbeit fuhr Haas deshalb mehrfach mit Bussen voller „BonnNatur Strom“-Kunden in den Westerwald, um sich dort in Langenbach anzusehen, wie „MANN Energie“ an der Energiewende arbeitete. „Wir konnten den Menschen zeigen, dass das Konzept nicht bloß als Werbung in unseren Papieren stand – man konnte über den Hof laufen, und sich angucken, was wirklich passiert.“

Friedhelm Haas (rechts) anno 1998 beim Beginn der Zusammenarbeit mit Markus Mann…

„Genug“ habe es gegeben, entgegnet Friedhelm Haas vielsagend auf die Frage, ob sein Bemühen um die Verwendung von Ökostrom seinerzeit in den SWB Widerstände hervorgerufen habe. Und er verrät: „Plötzlich bekamen wir vom vormaligen Stromlieferanten RWE Angebote, von denen man früher nur träumen konnte. Aber ich konnte unsere Geschäftsleitung letztlich davon überzeugen, dass wir mit dem regionalen Öko-Strom arbeiten.“

…und heute beim Spaziergang durch Bonn, zusammen mit Heiner Schneider (rechts), der ebenfalls gleich zu Beginn des freien Strommarktes auf „MANN Strom“ umstieg.

Friedhelm Haas war also der geistige Vater von „BonnNatur Strom“, der bis heute genutzt wird. Straßenbeleuchtungen, markante Einrichtungen in Bonn wie der UNO-Campus oder gleichermaßen das im Jahr von 850.000 Menschen besuchte „Haus der Geschichte“ werden mit dieser grünen Energie aus dem Westerwald versorgt.

„Wenn ich die beiden nicht gehabt hätte, hätte ich nicht den Mut gefunden, das Projekt Ökostrom-Lieferung direkt zum Endkunden in Gewerbe und Industrie anzustoßen“, gesteht Markus Mann im Jubiläumsjahr. Anfänglich war er verständlicherweise noch ein wenig ängstlich, startete das Vorhaben zunächst mit einem örtlichem Netzbetreiber. Zehn Jahre erfolgte der Stromvertrieb gemeinsam, „bis wir die Erfahrung und das passende Know-how hatten“, sagt Mann. „Dann hatte ich das Glück, einen Koblenzer Mitarbeiter zu bekommen, den Reinhard Weiß.“ Der ist heute ebenso Rentner wie Heiner Schneider und Friedhelm Haass und habe Mann in den wandelvollen Zeiten in seiner Idee vorangebracht und sehr beharrlich daran mitgearbeitet.

1998 hatte Markus Mann sieben oder acht Mitarbeiter, „und ich habe vielleicht eineinhalb Millionen Umsatz gemacht“, berichtet er. Heute erzielt die MANN-Gruppe im Bereich der Erneuerbaren Energien 100 Millionen Umsatz mit 100 Mitarbeitern. Aus dem Vorhaben, mit eigenen Ideen die Energiewende voranzubringen, ist in diesem Vierteljahrhundert also wahrhaft etwas geworden – auch dank der 1998er Entscheidungen von Haas und Schneider, die kaum geahnt haben können, welche Tragweite ihr Entschluss einmal haben würde.

Denn letztendlich hat ihre Unterstützung einer Idee, die mancher Zeitgenosse vormals noch als „grüne Spinnerei“ abgetan hatte, dazu geführt, dass „MANN Naturenergie“ bis zum heutigen Tag weiter an der Energiewende arbeiten konnte und inzwischen einige Tausend Menschen mit sauberem Ökostrom versorgen kann, der unter anderem vom „TÜV Süd“ zertifiziert ist. Der wacht unabhängig darüber, dass keine Mogelpackung verkauft und in Wahrheit Strom lediglich bilanziell als „öko“ umetikettiert, sondern ausschließlich echter, also physikalisch-gekoppelter Ökostrom geliefert wird. Das bestätigt ebenfalls das Label GSL.

Heiner Schneider nickt zustimmend: „Damit haben wir einem jungen Mann den Mut gegeben, um sein Vorhaben wirklich zu probieren, ja. Unsere Vereinbarungen haben ihm die Hoffnung gegeben, dass es Menschen gibt, die mit dem Herzen hinter der Idee stehen.“ Friedhelm Haas ergänzt: „Ohne solche Unterstützer hätte er die an sich ja völlig richtige Idee aus wirtschaftlicher Sorge vielleicht wieder eingestampft. Heute wäre ein Start wesentlich leichter, weil sich vieles auf dem Sektor etabliert hat, Grünstrom ist normal. Aber damals… Ich bin angeguckt worden, als ich mit Grünstrom aus dem Westerwald ankam…“, lacht der frühere SWB-Mitarbeiter.

Uwe Schmalenbach